Logo der Apotheken Umschau

Abnehmen als Nebenwirkung: Als Daniela S. ihr Medikament von der Apotheke holte, erfuhr sie von dem Zusatzeffekt – und war überrascht. "Es wurde mir nur wegen des Diabetes verschrieben", erzählt die 42-Jährige. Erst merkte sie wenig. Doch als der Arzt ihr die doppelte Dosis des Wirkstoffs Semaglutid verschrieb, war es mit Essgenuss vorbei. "Eine halbe Scheibe Brot — und ich war satt." Wenige Wochen später war sie fast zwölf Kilo leichter.
Ein Medikament, das Pfunde purzeln lässt, ohne zu hungern: Für viele klingt das traumhaft. Zumal zu viele Kilos Gefahren bergen. "Übergewicht ist eine der Hauptursachen für Typ-2-Diabetes", sagt Professor Dr. Andreas Pfeiffer, Ernährungsmediziner am Universitätsklinikum Charité in Berlin.

Gewicht runter, Werte normal

Zu Beginn der Erkrankung lässt Gewichtsverlust Diabetes teils sogar wieder verschwinden. Einen minimalen Abnehm-Beitrag kann Metformin leisten, ein Standard-Medikament bei Diabetes Typ 2. "Man verliert maximal ein bis zwei Kilo", sagt Pfeiffer. Bereits seit mehr als 20 Jahren auf dem Markt ist Orlistat, das in niedriger Dosis rezeptfrei ist. Wie für alle Abnehmmittel müssen die Patienten dafür jedoch selbst aufkommen. Der Wirkstoff führt dazu, dass Fett aus der Nahrung wieder ausgeschieden wird. "Der Stuhlgang lässt sich oft nur schwer kontrollieren", erklärt Professor Dr. Andreas Birkenfeld, Leiter der Klinik für Diabetologie, Endokrinologie und Nephrologie der Universität Tübingen. Zudem ist der Gewichtsverlust mit insgesamt rund drei bis vier Kilo nach einem Jahr mäßig.

Prof. Dr. Andreas Birkenfeld, Universität Tübingen

Prof. Dr. Andreas Birkenfeld, Universität Tübingen

Mehr Pfunde purzeln durch ein verschreibungspflichtiges Mittel mit den Wirkstoffen Bupropion und Naltrexon. Sie wurden ursprünglich zur Therapie verschiedener Abhängigkeiten wie Rauchen und Alkohol eingesetzt und dämpfen den Appetit. Aber: "Viele fühlen sich, als stünden sie wie unter Strom", sagt Birkenfeld. Die Finger lassen sollte man von rezeptfreien Mitteln aus dem Internet. Im schlimmsten Fall sind sie lebensgefährlich.

Daniela S. hatte nie daran gedacht, Abnehmpillen zu schlucken. Obwohl der Zeiger der Waage in den vergangenen Jahren stetig nach oben geklettert war. Knapp hundert Kilo bei einer Größe von 1,76 Meter: "Ich wusste schon, dass das zu viel ist", sagt sie. Dann erhielt sie die Diagnose: Diabetes-Typ-2. Eine Folge des Übergewichts? Bei Daniela S. steckt offenbar auch eine Anlage dahinter. Als sie mit Anfang 30 noch 70 Kilo wog, machte sie ihre Ärztin schon auf die grenzwertigen Blutzuckerwerte aufmerksam.

Semaglutid wird einmal pro Woche gespritzt.

Semaglutid wird einmal pro Woche gespritzt.

Neben Metformin erhielt Daniela S. ein Mittel, auf das Experten in Sachen Abnehmen große Hoffnungen setzen. Der Wirkstoff, der das Hormon GLP-1 (Glucagon-like-Peptide-1) imitiert, regt die Bauchspeicheldrüse an, mehr Insulin auszuschütten. Der Magen leert sich langsamer. "Das Hormon unterdrückt zudem das Hungergefühl im Gehirn", erklärt Birkenfeld. Seit gut zehn Jahren ist Liraglutid auf dem Markt, das einmal täglich gespritzt wird. Vor fünf Jahren kam Semaglutid hinzu, das Daniela S. erhält. Hier reicht eine Spritze pro Woche.

Nachgewiesen ist zudem, dass sich die beiden Wirkstoffe bei Menschen mit Diabetes nicht nur positiv auf das Gewicht auswirken. Auch die damit verbundenen Gefahren für Herz und Kreislauf verringern sich. Vorsichtig sein sollten allerdings Patientinnen und Patienten, die bereits unter einer diabetischen Retinopathie leiden, einer krankhaften Veränderung der Netzhaut. Wie eine Studie zeigt, kann sich das Risiko, dass die Erkrankung fortschreitet, unter der Therapie mit Semaglutid leicht erhöhen. Vor der Behandlung ist daher eine augenärztliche Untersuchung dringend ratsam. Ist die Netzhaut bereits angegriffen, sollten regelmäßige Kontrollen beim Augenarzt erfolgen.

Relativ neu hinzugekommen ist der Wirkstoff Tirzepatid. Er wirkt quasi doppelt. Neben GLP-1 imitiert er gleichzeitig ein weiteres Hormon, das GIP (Gastric-Inhibitory-Peptide). Es fördert ebenfalls die Insulinausschüttung und hemmt die Gucoseneubildung im Körper. Seit September 2022 ist der Wirkstoff in Europa als Medikament bei Typ-2-Diabetes zugelassen. Allein um abzunehmen, erhält man ihn allerdings noch nicht. Menschen mit Diabetes, die bereits an einer Netzhauterkrankung leiden, sollten mit dem Mittel ebenfalls vorsichtig sein.

Schlank durch Diabetesmittel

Fast 15 Prozent ihres Gewichts verloren die Testpersonen der STEP1-Studie, die Semaglutid erhielten, kombiniert mit einem gesünderen Lebensstil.
Allein durch die Veränderung des Lebensstils nahmen die Testpersonen nur 2,4 Prozent ihres Körpergewichts ab.

Abnehmen als Hauptwirkung

Vor allem anfangs kommt es bei Semaglutid aufgrund der verzögerten Magenentleerung teils zu Nebenwirkungen wie Verdauungsstörungen, die Patientin S. heftig zu spüren bekam. "Aß ich nur einen Löffel zu viel, war mir übel", erzählt sie. Stundenlang. Hunger hatte sie keinen mehr. Der Vorteil: Die Pfunde purzelten.

Wie Studien zeigten, lässt sich die Nebenwirkung auch zur Hauptwirkung machen. Liraglutid und auch sein Nachfolger Semaglutid sind inzwischen zum Abnehmen zugelassen. Der Gewichtsverlust hält aber nur an, solange man sich das Medikament verabreicht. Das heißt: lebenslang spritzen. Hinzu kommen unbekannte Langzeitfolgen sowie der hohe Preis von mehreren Tausend Euro pro Jahr.

Pfeiffer glaubt dennoch, dass die Behandlung mit Medikamenten künftig eine wichtige Säule im Kampf gegen krankhaftes Übergewicht sein könnte. "Eine Ernährungsumstellung und ein gesünderer Lebensstil sollten natürlich immer am Anfang stehen", sagt Birkenfeld. Da es die meisten aber nicht schaffen, schlank zu bleiben, hält auch er eine Unterstützung mit Medikamenten für sinnvoll. Vor allem, wenn bereits Folgeerkrankungen wie Herz- oder Gelenkprobleme auftreten — oder Diabetes.

An erster Stelle: die Ernährung

Inzwischen wiegt Daniela S. knapp über 80 Kilo. "Eine Sieben davor, das wäre noch das Ziel", sagt sie. Die Blutzuckerwerte sind im Normbereich und auch das Essen schmeckt wieder. Allerdings achtet sie jetzt auch viel mehr auf ihre Ernährung. "Allein um abzunehmen, hätte ich das Medikament nicht genommen", sagt sie. Über die verlorenen Pfunde ist sie froh. "Stolz kann ich darauf aber nicht sein."

Das Wichtigste in Kürze

Übergewicht ist einer der Hauptrisikofaktoren für Typ-2-Diabetes. Durch Gewichtsverlust lässt sich vor allem am Beginn der Erkrankung Diabetes oft sogar zum Verschwinden bringen.

Neuere Diabetes-Medikamente, sogenannte GLP-1-Agonisten, ahmen ein Darmhormon nach, das den Appetit dämpft. Das führt bei vielen zu Gewichtsverlust. Verordnet werden kann es, wenn Metformin nicht ausreichend wirkt oder man es nicht verträgt.

Zum Thema

Frau misst ihren Bauchumfang

Abnehmen mit Typ-2-Diabetes

Durch den Abbau von Übergewicht lässt sich ein Typ-2-Diabetes messbar lindern und in einigen Fällen sogar heilen. Betroffene sollten sich aber nicht mit Hungerkuren oder Crash-Diäten quälen. Auf Dauer zum Artikel