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Rotnasig und durchgefroren kehren wir fünf von einem längeren Spaziergang zurück. Vor Kurzem war herrlichstes Frühlingswetter, dann ist noch einmal die Winterkälte zurückgekehrt und mit ihr eine gewisse Melancholie. Mathilda hat zwar beim Laufen ein Liedchen geträllert, aber mein Mann hing trüben Gedanken nach: "Was macht diese Krise mit uns, mit unserer Gesellschaft?"

Julius rannte 500 Meter vorneweg, keinen Bock auf Kommunikation. Und Konstantin löcherte mich fast die komplette Strecke ausschließlich mit Fragen zu Viren, Ansteckungsgefahr und irgendwelchen gruseligen Krankheiten. Dabei reicht es mir völlig, mir ständig über den Diabetes den Kopf zu zerbrechen. Also versuchte ich, Konstantin positive Impulse zu senden, doch so richtig gelang es mir nicht. Möglicherweise deshalb, weil ich es nur halbherzig tat. Denn auch meine Stimmung war nicht gerade auf dem Höhepunkt.

Isabelle Fabian lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Sachsen

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Bei all den guten Aktionen, bei all der Solidarität gegenüber den Helden der Corona-Krise, bei all dem gelebten Zusammenhalt – dieses Virus schafft auch Misstrauen, Argwohn und vor allem Angst. Es spaltet. Das erleben wir immer wieder.

In den vergangenen Tagen bin ich mit meinen Kindern öfter durch unser Viertel spaziert. Die Fußwege sind breit genug, um den gewünschten Mindestabstand einzuhalten. Trotzdem gibt es Leute, die demonstrativ die Straßenseite wechseln, obwohl die Kids und ich uns schon hintereinander eingereiht haben. Einmal musste Konstantin husten – prompt böse Blicke. Und das "O Gott!" hinter vorgehaltener Hand habe ich sehr wohl vernommen.

Mathilda flippt jedes Mal im Kinderwagen aus, wenn sie ein anderes Kind erblickt. Wenn es dann noch eines ist, das sie aus der Kita kennt, gibt es kein Halten mehr. Sie heult und zerrt an ihren Gurten. Mir zerreißt es fast das Herz. Jammern auf hohem Niveau, ich weiß: Sie hat ja wenigstens ihre großen Brüder. Mit Gleichaltrigen oder ihren Kindergartenfreunden zu spielen, ist aber doch noch mal etwas anderes.

Ich hoffe sehr, dass wir uns alle nach dieser Distanzierung auch wieder annähern können. Ich bin ein offener Mensch, meine Familie ist sehr herzlich. Wir umarmen einander und auch Freunde oder liebe Kollegen. Nähe erzeugt Vertrauen und Geborgenheit. Meine großen Jungs verstehen die Covid-19-Regeln, aber Mathilda ist mit ihren zwei Jahren einfach noch zu klein dafür.

Als ihre Großeltern vergangene Woche klingelten, um für ihre Enkel etwas abzugeben, bat ich sie in den Garten. So konnten wir wenigstens mal ein paar Minuten miteinander auf Distanz schwatzen. Meine Kleine liebt ihre Großeltern über alles und war total aus dem Häuschen, endlich mal wieder jemanden anderen zu sehen als ihre Pappenheimer.

Aber sie schien mit ihren feinen Antennen zu spüren, dass sich Omi und Opi zurückhielten, sie nicht hochnehmen und auch ihren Sandkuchen nicht annehmen wollten. Wir versuchten ihr gemeinsam zu erklären, dass Omi und Opi nicht krank werden wollen. Trotzdem kam sie immer wieder anmarschiert. Vielleicht müsste man sagen: Zum Glück versteht sie nicht, was gerade abgeht. Zum Glück ängstigt und sorgt sie sich nicht.

Wann die Großeltern wieder unbeschwert mit ihrer Enkelin schmusen werden? Das Coronavirus ist doch nach der Ausgangssperre nicht verschwunden. Was bleibt in diesen Tagen, in denen uns fast ausschließlich düstere Nachrichten erreichen? Sich – Achtung, Plattitüde! – nicht verrückt zu machen. Wenn Mathilda ein Liedchen trällert, sollten wir als Familie dann nicht alle einstimmen, anstatt Trübsal zu blasen? Kann man nicht jeder Situation, selbst dieser Pandemie, etwas Positives abgewinnen?

Wenigstens muss ich momentan keine Schulbrote schmieren und Büchsen füllen. Dadurch habe ich jeden Tag 20 Minuten für etwas anderes gewonnen, um etwa Ostereier mit den Kids zu bemalen oder ein Bild für Omi und Opi zu gestalten. Ich muss nicht "Mama-Taxi" spielen, muss weder zum Sport noch zum Geigenunterricht fahren, dafür habe ich das Glück, jeden Nachmittag beim gemeinsamen Spaziergang von Konstantin ein Update zu bekommen, welcher Gamer gerade bei YouTube angesagt ist. Und ich darf mir eine detaillierte Schilderung des letzten Fortnite-Sieges anhören: "Da hab ich so gepusht, Mama."

Durch die Corona-Krise darf ich diesen Blog schreiben. Meine Gedanken  und Gefühle mitzuteilen, in der Hoffnung, dass sie Anstöße sind oder den  Leser einfach mal zum Lachen bringen, vertreibt meinen Blues sofort.  Und wenn ich dann noch meine kleine Familie betrachte, wie alle  einträchtig um den Wohnzimmertisch sitzen und "Mensch ärgere dich nicht"  spielen: Dann wird mir so was von warm ums Herz. Trotz Kälteeinbruch  sind sie plötzlich da, die Frühlingsgefühle. Jetzt gilt es nur, sie  festzuhalten.

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