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Ein blauer Zeh! "Was ist denn da passiert?", fragte sich Jimmy Williams (62) aus Worms, als er die Verfärbung an seinem linken Fuß entdeckte. "Irgendwo angeeckt", dachte er. Doch der Zeh heilte nicht. Auch die Ferse war entzündet und wollte nicht heilen. Dabei hatte Jimmy Williams fast keine Schmerzen. Der LKW-Fahrer, der seit sechs Jahren weiß, dass er Typ-2-Diabetes hat, ging zum Arzt. "Da stimmt etwas nicht. Die Gefäße im Bein sind verkalkt. Sie müssen sofort in eine Spezialklinik", sagte sein Arzt. "Sonst wird womöglich der ganze Fuß amputiert."

Wenn der Blutfluss gestört ist, kann sich das zum Beispiel in Füßen oder Beinen bemerkbar machen. Sie werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. So wie der Zeh von Jimmy Williams. Bei gesunden Menschen strömt das Blut vom Herzen durch die Hauptschlagader bis in kleinste Äderchen der Zehenspitzen und versorgt das Gewebe.

Mit steigendem Alter, bei ungesunder Lebensweise oder langjährigem Diabetes können sich die Blutgefäße durch fett- und kalkhaltige Ablagerungen aber verengen. Umgangssprachlich ist dann von Arterienverkalkung die Rede, Mediziner sprechen von Arteriosklerose. Die Diagnose für eine Durchblutungsstörung in den Beinen oder Armen lautet PAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit).

Engstellen in Arterien beheben

Auch Jimmy Williams hat eine PAVK. Er fuhr in die Klinik für Gefäßchirurgie am Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer. Professor Dr. Gerhard Rümenapf, Leiter der Klinik, nahm eine Gefäßdarstellung per Röntgenbild vor. Dabei verschaffte er sich mit einem Katheter über die Leiste einen Zugang zur Beinarterie und spürte Engstellen auf. Einige konnte er mithilfe eines Ballonkatheters weiten.

Um die Arterien bis in die Zehen wieder funktionstüchtig zu machen, musste der Gefäßchirurg sie teilweise öffnen, um Blutgerinnsel und Ablagerungen herauszuschälen. An eine über mehrere Zentimeter verschlossene Stelle, die durch andere Methoden nicht zu beseitigen war, legte er einen Bypass zwischen Knie- und Fußrückenarterie — eine Umleitung für das Blut. Dafür verwendete der Gefäßchirurg die Hautvene des linken Unterschenkels.

"Welche OP-Verfahren zum Einsatz kommen, hängt davon ab, wie ausgeprägt die PAVK ist und wo die Ablagerungen sind", sagt Gerhard Rümenapf. "Oft kombinieren wir die Methoden." Kleinere Eingriffe mit dem Ballonkatheter sind unter örtlicher Betäubung möglich. Dafür bleibt der Patient meist zwei Tage in der Klinik. Wird das Gefäß aufgeschnitten, um Ablagerungen auszuschälen oder einen Bypass zu setzen, ist eine Narkose nötig. Der Betroffene bleibt für ein bis zwei Wochen im Krankenhaus.  

Schleichend und unbemerkt

Für Jimmy Williams' blauen Zeh und drei weitere Zehen kam die Gefäß-OP zu spät. Sie mussten amputiert werden. "Der große Zeh blieb zum Glück", sagt er. Wie Jimmy Williams wissen viele Patienten lange nicht, dass sie eine PAVK haben. Das Tückische: "Die Krankheit entwickelt sich schleichend. Und bei Menschen mit Diabetes und Nervenschäden macht sie sich oft nicht einmal durch Schmerzen bemerkbar", sagt Rümenapf. Sie spüren nichts mehr an Füßen und Beinen. Menschen mit gesunden Nerven haben bei Durchblutungsstörungen dagegen krampf­artige Schmerzen in Waden und Oberschenkeln, die zu Pausen beim Gehen zwingen. Bis die Attacken vorbei sind, verweilen Betroffene etwa vor Geschäften. Deshalb wird die PAVK auch "Schaufensterkrankheit" genannt.

Wichtig, gerade für Menschen mit Diabetes: "Eine regelmäßige Untersuchung kann Durchblutungsstörungen früh aufdecken", sagt Rümenapf. Der Hausarzt untersucht die Durchblutung, indem er den Puls in Leiste, Kniekehle und am Fuß tastet. Oft nimmt er auch eine vergleichende Blutdruckmessung an Armen und Knöcheln vor. Bei Auffälligkeiten überweist er zum Diabetologen oder Gefäßexperten.

Der spezialisierte Arzt untersucht die Arterien mit einem Ultraschallgerät (Dopplersonografie), um Engstellen aufzuspüren. Zudem muss geklärt werden, ob auch andere Gefäße im Körper betroffen sind — zum Beispiel die Halsschlagader und Herzkranzgefäße. Verstopfen diese, ist das akut lebensbedrohlich.

Diabetes-Fusspass

Den Fußpass erhalten Sie kostenfrei beim Arzt. Es gibt ihn in Grün bei geringem Risiko für Fußkomplikationen, in Gelb bei mittlerem Risiko und in Rot für Hochrisikopatienten.

Der Pass hilft, Kontrolltermine und das Risiko für Fußkompli­kationen im Blick zu behalten.

Patienten können das Fortschreiten der Arterienverkalkung bremsen, indem sie nicht rauchen, Bluthochdruck senken und ihren Diabetes optimal behandeln. Gesunde Ernährung, Bewegung und Medikamente helfen, die Zucker-, Blutdruck- und Blutfettwerte zu stabilisieren. Das entlastet die Gefäße.

Durch Gehtraining können dank der Muskelarbeit neue kleine Blutgefäße entstehen. Bei Menschen mit Diabetes und einer Nervenstörung besteht aber die Gefahr, dass sich beim Gehen an schlecht durchbluteten Füßen Druckstellen bilden, die sie nicht spüren. Schmerz als Warnsignal fehlt. Gerhard Rümenapf rät daher vom Gehtraining ab. Schwimmen und Radfahren sind stattdessen geeignet. Gegen normale Bewegung in gut angepassten Schuhen mit weichem Fußbett sei aber nichts einzuwenden.

Regelmäßig Füße pflegen

Rümenapf empfiehlt, auch deformierte Zehen, etwa einen Hammerzeh, behandeln zu lassen, damit Druckstellen gar nicht erst entstehen. Wichtig seien regelmäßige Fußpflege, selbstständig oder beim Podologen, und eine tägliche Inspektion der Füße, damit Wunden nicht unentdeckt bleiben. Bei jeglichen Veränderungen am Fuß sollte man sofort den Arzt aufsuchen. Ist eine Amputation angedacht, hat der Patient das Recht und ist gut beraten, sich eine Zweitmeinung bei einem anderen Arzt einzuholen.

"Bei mir war das kurz vor knapp", erzählt Jimmy Williams. "Fast wäre der Fuß weg gewesen." Inzwischen hat der 62-Jährige fast 20 Kilo abgenommen: Das entlastet nicht nur den Fuß, sondern wirkt sich auch günstig auf Zucker-, Blutfett- und Blutdruckwerte aus und damit positiv auf die Gefäße. Ein großer Erfolg: Die Wunden von Jimmy Williams heilen inzwischen gut.

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