Diabetes und Untergewicht: Wieder mehr wiegen!
Zu viel ist nichts, zu wenig auch nicht: Untergewicht spielt bei Diabetes eine größere Rolle als gedacht. So schaffen Sie es, gesund und mit Genuss zuzunehmen
Da hat man sich jahrelang bemüht, Pfunde loszuwerden, um den Diabetes in Schach zu halten. Sich Schokoriegel versagt, auf Bratkartoffeln verzichtet. Und plötzlich purzeln die Kilos, und die Hose rutscht. Ein neues Problem taucht auf: Untergewicht.
Wenn der Diabetes am Gewicht zehrt
"Tatsächlich beobachten wir das Phänomen des Abnehmens häufig bei älteren Menschen, die den Diabetes schon seit 15 oder mehr Jahren haben", sagt Professor Dr. Andreas Fritsche, Diabetologe und Ernährungsmediziner aus Tübingen. Was passiert? Über die Jahre bildet die Bauchspeicheldrüse immer weniger Insulin. Der Blutzucker steigt, und der Körper kann die Energie aus der Nahrung nicht optimal verwerten. Fritsche spricht dann von einem "ausgemergelten Diabetes". In diesem Fall kann eine Insulintherapie den Älteren mit Untergewicht helfen, sagt Fritsche. Sie können dann mehr essen, nehmen wieder zu — und blühen geradezu auf.
"Ein deutlicher Gewichtsverlust innerhalb kurzer Zeit kann viele Gründe haben und sollte Anlass sein, genauer hinzusehen", sagt der Kölner Ernährungswissenschaftler Christof Meinhold. Der Arzt sollte untersuchen, ob hinter dem Gewichtsverlust eine andere Krankheit steckt.
Ein weiterer Schritt: prüfen, ob ein Mensch Lebensmittel nicht mehr so gut verträgt wie früher. Wenn jemand häufig unter Durchfall, Magengrummeln, Völlegefühl und Oberbauchbeschwerden leidet, könnte das etwa auf eine Laktose-Unverträglichkeit hinweisen. Oder auf eine Fett-Unverträglichkeit: Oft lässt im Alter die Produktion der Verdauungsenzyme nach. Bei entsprechender Diagnose kann eine Ernährungsberatung hilfreich sein. Bei Enzymmangel kann der Arzt mit Präparaten gegensteuern.
Ungewollte Gewichtsabnahme: Das kann helfen
Shakes für mehr Pfunde?
Zu den Zwischenmahlzeiten Hochkalorisches: Dafür eignen sich hochwertige Proteindrinks. Tanja Grasberger, Fachapothekerin für Geriatrie in Miesbach, sagt: "Bei Gewichtsverlust sinkt auch der Proteinspiegel. Ihn kann man dadurch gut beeinflussen." "Proteindrinks sollten aus Molkeprotein bestehen. Dies macht es möglich, dass Muskelmasse aufgebaut wird, die mit zunehmendem Alter verloren geht", erklärt Dr. Andrej Zeyfang, Diabetologe, Altersmediziner und Chefarzt an der Medius Klinik Ostfildern-Ruit.
Aufpäppeln mit Insulin?
Insulin gilt als Dickmacher und kann zwei bis vier Kilo an Gewicht bringen, gelegentlich auch mehr. Im Einzelfall kann daher die Umstellung zum Beispiel von Metformin auf ein lang wirkendes Insulin sinnvoll sein. Altersmediziner Zeyfang: "Mit einer Spritze pro Tag lässt sich viel erreichen."
Freispruch für Limonade?
Säfte, Limonade oder Cola enthalten reichlich Zucker — und sie treiben den Blutzucker in die Höhe. Insofern sollten Menschen mit Diabetes von süßen Getränken lieber die Finger lassen. Wer nicht darauf verzichten möchte, dem empfiehlt Apothekerin Grasberger, sie lieber zum Essen zu sich zu nehmen: "Das ist günstiger für den Blutzucker. In den Essenspausen eignet sich Wasser als Getränk besser, um zusätzliche Blutzuckerspitzen zu vermeiden."
Ursache Typ 1?
Ungewollte Gewichtsabnahme kann neben anderen Symptomen ein Hinweis auf einen unerkannten Typ-1-Diabetes sein. Dabei besteht ein Mangel an Insulin. Fehlt es, kann der Körper den Zucker aus der Nahrung nicht in die Zellen schleusen, wo er gebraucht wird. Folge: Der Blutzuckerwert steigt. Um den Zucker loszuwerden, schwemmt der Körper einen Teil davon mit dem Urin aus. Dabei geht viel Wasser verloren — und Gewicht. Mit einer Insulintherapie bessern sich die Blutzuckerwerte, und auch das Gewicht steigt wieder.
Check: Ist es etwas Ernstes?
Das gilt in jedem Alter: Bei ungewolltem Gewichtsverlust sollte der Arzt zunächst ausschließen, dass ein ernsthaftes Leiden dahintersteckt. Verschiedene Erkrankungen können mit starkem Gewichtsverlust einhergehen. Wer innerhalb von sechs Monaten fünf bis zehn Prozent seines Körpergewichts abnimmt, sollte möglichst bald zum Hausarzt gehen, damit er die Ursache herausfinden und rasch handeln kann.
Psyche schlägt auf den Appetit
Häufig bleibt im Alter der Appetit aus psychischen Gründen auf der Strecke. Man verliert einen Angehörigen, die Familie wohnt weit weg. "Vereinsamung spielt beim Gewichtsverlust eine große Rolle", sagt Experte Fritsche. Sein Rat: gemeinsam essen, etwa an Senioren-Mittagstischen, wo manchmal sogar zusammen gekocht wird. "Und wenn die Geschmacksnerven nicht mehr so gut funktionieren, würzt man am besten mit Kräutermischungen nach", rät Experte Meinhold. Kommt dann noch Bewegung an der frischen Luft ins Spiel, hilft das dem Stoffwechsel, die Balance wiederzufinden.
Wer zunehmen möchte, soll essen und trinken, was ihm schmeckt — das Mehr an Kalorien jedoch nicht ausschließlich über Sahnetorte und Limonade holen. "Aber auch Low-Fat hat mit zunehmendem Alter ausgedient", so Fritsche. Also Quark und Joghurt lieber in der fettreichen Variante wählen. Hochwertige Öle (z. B. Walnuss- oder Distelöl) übers Gemüse träufeln. Walnüsse und fette Seefische wie Lachs oder Hering liefern Omega-3-Fettsäuren, die Herz und Gefäße schützen. Die Empfehlung, längere Pausen zwischen den Mahlzeiten einzuhalten, gilt bei Untergewicht übrigens nicht. Christof Meinhold rät seinen Patienten alle zwei Stunden zu einem Snack, etwa einer Banane.
Wenn das nicht reicht, sollte man den Arzt fragen und eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen. In Einzelfällen sinnvoll: kalorienreiche Spezialnahrung aus der Apotheke.
Schützende Pfunde
Bei Untergewicht gilt: Zunehmen lohnt sich! "Aus unserer Erfahrung ist ein minimales Übergewicht mit einem Body-Mass-Index von 25 bis 27 für ältere Menschen mit Diabetes am gesündesten", sagt Fritsche. Das beugt etwa Osteoporose vor. Und es schafft auch die nötigen Reserven, falls einen ein Virus erwischt.
Problem im Magen
Manche Menschen mit Diabetes leiden an einer Gastroparese, einer Magenlähmung, die mit Nervenstörungen zusammenhängt.
Dabei treten etwa Übelkeit und Völlegefühl auf. Deshalb nehmen manche Betroffene ab