Warum Diabetes auf die Zähne geht
Was Diabetes mit den Zähnen zu tun hat? Ziemlich viel. Vor allem erhöht er das Risiko einer Parodontitis. Wie Sie mit guter Zahnpflege vorbeugen können

Aufgepasst: Wer "Zucker" hat, sollte auf das Gebiss achten
Zwei ganz verschiedene Krankheitsbilder — und doch haben sie so manches gemeinsam. Diabetes und Parodontitis entwickeln sich still und heimlich ohne Beschwerden und werden oft erst spät bemerkt. Beide treten so häufig auf, dass sie als Volkskrankheiten gelten. Allein deshalb verwundert es nicht, dass viele Diabetiker auch eine Parodontitis haben.
Von Parodontitis sprechen Zahnärzte bei einer Entzündung des Zahnhalteapparates, der den Zahn im Kiefer verankert. "Die Entzündung soll Bakterien abwehren, die sonst ins Körperinnere gelangen", erklärt Professor Peter Eickholz, Direktor der Poliklinik für Parodontologie an der Universität Frankfurt/Main.

Diese Bakterien siedeln sich als Beläge auf den Zähnen an und bewirken zunächst, dass sich das Zahnfleisch entzündet. Wandern sie weiter zum Zahnhals, löst sich das Zahnfleisch allmählich vom Zahn und bildet eine Tasche. Ohne Behandlung dringen die Bakterien in Richtung Gewebe und Knochen vor. Der Zahnhalteapparat wird geschwächt, der Zahn lockert sich und fällt aus.

Diabetes fördert Parodontitis
Menschen mit Diabetes erkranken dreimal so oft an einer Parodontitis wie Nicht-Diabetiker. Das liegt vermutlich daran, dass erhöhte Blutzuckerwerte die Funktion des Immunsystems beeinträchtigen und Entzündungen begünstigen können. Sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes verläuft die Parodontitis schwerer, schreitet schneller fort und führt häufiger zu Zahnverlust. Inzwischen gilt sie als weitere Folgekrankheit des Diabetes — neben möglichen Schäden an Herz, Nieren, Augen oder Nerven.
Parodontitis erhöht Zuckerwerte
Umgekehrt bleibt eine Parodontitis nicht ohne Einfluss auf den Diabetes. Die ständige Entzündung im Mund hat zur Folge, dass Insulin im Körper schlechter wirkt und die Blutzuckerwerte steigen. Studien haben gezeigt, dass eine schwere Parodontitis zudem die Gefäßverkalkung fördert und mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Nierenschäden einhergeht.
Glücklicherweise kann aber jeder selbst viel zur Besserung und Vorbeugung tun. Das heißt: Risiken minimieren, also regelmäßig und sorgfältig die Zähne putzen, auf optimale Blutzuckerwerte achten und möglichst auf die Zigarette verzichten — Rauchen ist Risikofaktor Nummer eins. So verringert sich die Erkrankungsgefahr deutlich, eine bestehende Parodontitis heilt schneller ab.
Und: Signale nicht übersehen. Wenn das Zahnfleisch blutet, gerötet oder geschwollen ist oder man unter Mundgeruch leidet, steht ein Besuch beim Zahnarzt an. Er entfernt alle bakteriellen Beläge von den Zahnoberflächen und auch aus Zahnfleischtaschen, bei Bedarf unter örtlicher Betäubung. Und er erklärt seinen Patienten, wie sie durch gute Zahnpflege verhindern, dass sich erneut bakterielle Beläge und eine Entzündung entwickeln. Die regelmäßige professionelle Zahnreinigung durch eine Prophylaxehelferin trägt ebenfalls dazu bei.
Die beste Vorbeugung: Zahnpflege


Gründlich putzen
Morgens und abends jeweils drei Minuten lang die Zähne putzen, rät Dr. Jochen Schmidt, Zahnarzt in Prien am Chiemsee. Und zwar rundum: Kauflächen, Außen-, Innenseiten. Wer mit der Hand putzt, "wischt" von Rot (Zahnfleisch) nach Weiß (Zähne); den elektrischen Bürstenkopf einfach aufsetzen und kreisen lassen

Hand- oder Elektrobürste?
Mit der elektrischen Bürste erzielen die meisten Menschen ein besseres Putzergebnis. Moderne Schallzahnbürsten reinigen besonders gut. "Die korrekte Anwendung sollten Sie sich aber beim Zahnarzt zeigen lassen", sagt Experte Schmidt. Ob von Hand oder elektrisch: keine harten Bürsten benutzen und Bürstenkopf alle sechs Wochen austauschen

Mit Zahnseide reinigen
Etwa 40 Prozent der Zahnflächen liegen in den mit der Bürste schlecht erreichbaren Zahnzwischenräumen. Einmal täglich, vorzugsweise abends, ist auch hier eine Reinigung fällig. Für enge, kurze Zwischenräume eignet sich Zahnseide. Sticks mit eingespannter Seide lassen sich leichter handhaben

Die richtige Zahnpasta
Für Zahngesunde reicht eine normale fluoridhaltige Zahnpasta. Während und nach einer Parodontitis-Behandlung empfiehlt Zahnarzt Schmidt spezielle Parodontitis-Cremes mit antibakteriellen Bestandteilen. Von Pasten mit groben Schleifteilchen zur Entfernung von Belägen rät er ab

Die Vielfalt der Zwischenraumbürstchen
Breitere oder längere Zwischenräume säubern Sie am besten mit den kleinen Bürstchen. Es gibt sie in verschiedenen Größen und Formen und auch zum Aufstecken auf einen verlängernden Griff. Nach spätestens 14 Tagen sollten Sie die Bürstchen wechseln — wenn sie nicht schon vorher verschlissen sind

Was Kaugummis können
Besonders nach dem Essen und wenn mal keine Zahnbürste verfügbar ist, empfiehlt Jochen Schmidt Zahnpflege-Kaugummis. Das Kauen regt den Speichelfluss an und sorgt so dafür, dass Säuren, etwa aus Obst oder Getränken, dem Zahnschmelz weniger zusetzen. "Günstig sind Kaugummis mit dem Zuckeraustauschstoff Xylit, weil sie auch antibakteriell wirken", sagt Schmidt. Das Zähneputzen ersetzen die Kaugummis aber nicht
Im Rahmen von Nachsorgeterminen überprüft der Zahnarzt, ob sich neue Zahnfleischtaschen gebildet haben und ob sein Patient die Zähne richtig putzt. Übrigens: Eine erfolgreiche Parodontitis-Therapie kann den Blutzucker-Langzeitwert (HbA1c) Studien zufolge um bis zu 0,5 Prozentpunkte senken.
Einmal im Jahr zum Zahnarzt
Wegen ihres erhöhten Parodontitis-Risikos sollten Diabetiker mindestens einmal jährlich zum Zahnarzt. "Und Zahnärzte sollten Patienten mit Parodontitis, bei denen kein Diabetes bekannt ist, einen Blutzuckercheck beim Hausarzt ans Herz legen", sagt Parodontologe Eickholz. Denn es kommt gar nicht so selten vor, dass eine Parodontitis schlecht abheilt, weil der Patient einen unentdeckten Diabetes hat.