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Manche Frauen gehen das erste Mal wegen ihrer Akne zum Arzt, andere wegen der stärke­ren Behaarung an der Oberlippe. Bei Sabine Herrmann blieb schon als Teenager die Regel aus. Dass sie wegen ihrer Krankheit Probleme mit dem Kinderkriegen bekommen könnte, begriff sie erst Jahre später. "Damals hab ich mich sehr allein gefühlt", sagt die 40-Jährige. Dabei ist das Polyzystische Ovarialsyndrom, kurz PCOS, die häufigste hormonelle Erkrankung von Frauen im gebärfähigen Alter. "Etwa zehn Prozent sind betroffen", sagt Gynäkologe Professor Dr. Kai Bühling, Leiter der Hormon­­sprechstunde am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Wie PCOS entsteht, weiß man nicht genau. Häufig liegt eine genetische Veranlagung vor, sodass der Körper zu viele männliche Hormone produziert.

Diagnose nicht immer einfach

Sie führen zu den äußerlichen Veränderungen wie Akne, Körperbehaarung bzw. Haarausfall an den für Männer typischen Stellen, aber auch dazu, dass der Eisprung seltener stattfindet oder ausbleibt. Für eine Diagnose müssen zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt sein: unregelmäßiger Zyklus, ein Zuviel an männlichen Hormonen und die namensgebenden Zysten in den Eierstöcken (Ovarien), die eigentlich unreife Eizellen sind. Andere Ursachen, etwa eine Schilddrüsenerkrankung, sollten ausgeschlossen werden.

Teufelskreis Insulinresistenz

Auffällig: Die Mehrzahl der Frauen mit PCOS ist übergewichtig. "Zwei Drittel von ihnen haben eine Insulinresistenz", sagt Privatdozentin Dr. Susanne Reger-Tan, Oberärztin an der Klinik für Endokrinologie am Universitätsklinikum Essen. Bei Frauen mit PCOS führt die Insulinresistenz dazu, dass ein Überschuss an Insulin gebildet wird. Das Hormon fördert nicht nur Übergewicht, sondern steigert auch die Bildung männlicher Hormone, was die PCOS-typischen Beschwerden weiter verschlechtert.

"Die Frauen haben es deutlich schwerer als andere, ihr Gewicht zu halten oder abzunehmen", so Reger-Tan. "Die Zusammenhänge sind immer noch nicht genau verstanden. Aber dass Übergewicht und Insulinresistenz die alleinige Ursache für PCOS sind, stimmt nicht." Trotzdem begegnen viele Betroffene dem Vorurteil, sie hätten sich die Krankheit angefuttert.

Ob und wie Frauen mit PCOS behandelt werden, richtet sich nach ihren Beschwerden und danach, ob sie schwanger werden wollen. "Es muss nicht zwangsläufig therapiert werden. Das entscheiden Arzt und Patientin individuell", sagt Bühling.

Welche Medikamente wirken

Die "Pille" etwa sorgt für regelmäßige Blutungen und kann die äußerlichen Symptome lindern; Metformin hilft dabei, abzunehmen, den Spiegel an männlichen Hormonen zu senken und die Eisprungrate zu erhöhen. "Selbst Frauen ohne Insulinresistenz profitieren", sagt Susanne Reger-Tan. Möchte eine Frau möglichst schnell schwanger werden, sieht die Leitlinie Letrozol, an zweiter Stelle Clomifen oder Metformin vor. "Anders als Metformin sollten beide Mittel nur zeitlich begrenzt genommen werden."

Sabine Herrmanns Kinder, neun und sechs, sind das Resultat künstlicher Befruchtung. Seit sie Mutter ist, hat ihre Insulinresistenz nachgelassen. Um einem Typ-2-Diabetes vorzubeugen, möchte sie weiterhin Metformin nehmen. Außerdem treibt sie regelmäßig Sport und achtet auf eine gesunde Ernährung mit wenig Zucker. "Eine Optimierung der Lebensgewohnheiten hat großen Einfluss auf den Hormonhaushalt", bestätigt Reger-Tan. Sogar ohne Gewichtsabnah­me. In einer Studie erhöhte sich die Eisprungrate allein dadurch, dass die Frauen die Hauptmahlzeit oder die Hauptkalorien morgens statt abends aßen, bei gleicher Tageskalorienmenge.

Sabine Herrmanns wichtigster Tipp: Kontakt zu anderen. Seit einigen Jahren leitet sie eine Selbsthilfegruppe (Adressen unter www.pcos-selbsthilfe.de). So könne man Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig Tipps geben, denn noch immer kennen sich viele Ärzte nicht mit der Erkrankung aus. "Aber vor allem tut es gut, sich verstanden zu fühlen."

Metformin — ohne Diabetes

Metformin ist das am häufigsten verschriebene Medikament, um die Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetes zu senken. Häufig wird es auch bei Frauen mit PCOS eingesetzt, um die Fruchtbarkeit zu verbessern und eine Gewichtsabnahme zu unterstützen