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Kinder mit Diabetes

Wenn Kinder an Typ-1-Diabetes erkranken, ändert sich einiges im Leben – für die kleinen Patienten selbst und für ihre Eltern. Die Beteiligten müssen auf die Ernährung achten, regelmäßig den Blutzucker messen und Insulin spritzen. Die Therapie begleitet die kleinen Patienten über den gesamten Tag, zu Hause, im Kindergarten oder in der Schule.

Das klingt kompliziert. Und tatsächlich bedeutet das Diabetesmanagement für betroffene Familien einen erheblichen Mehraufwand. Doch keine Panik! Gleich nach der Diagnose lernen Eltern und Kinder in speziellen Schulungen, wie sie den Diabetes im Alltag meistern, sodass die verschiedenen Maßnahmen schnell in Fleisch und Blut übergehen.

Trotz allem können Kinder mit Diabetes überwiegend ein normales Leben führen und ihre Gewohnheiten und Aktivitäten beibehalten. Sie müssen nicht in Watte gepackt werden, im Gegenteil: Gerade wenn sie lernen, auch schwierige Situationen zu bewältigen, gewinnen sie dadurch an Erfahrung, Selbstvertrauen und Sicherheit.

Ihren Kindern zuliebe sollten Eltern möglichst offen sein und ihr Umfeld über den Diabetes und seine Behandlung aufklären. Je besser alle Beteiligten informiert sind, um so souveräner werden sie mit der Erkrankung umgehen können. Einige Tipps für Eltern, Betreuer und Lehrer von Kindern mit Diabetes haben wir im Folgenden zusammengestellt.

Was ist Typ-1-Diabetes?

Fast immer liegt ein Typ-1-Diabetes vor, wenn Kinder an Diabetes erkranken. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem des Körpers greift die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse an. Diese stellen das Hormon Insulin her, das nötig ist, um Zucker aus dem Blut in die Zellen weiterzuleiten. Sind die Beta-Zellen zerstört, produzieren Betroffene kein Insulin mehr, und der Zuckerspiegel im Blut steigt an. Sie müssen das lebenswichtige Hormon von außen zuführen, um ihre Werte zu regulieren – indem sie es spritzen oder über eine Insulinpumpe verabreichen. Ohne Insulin kommt es zu schweren Stoffwechselentgleisungen, die tödlich enden können.

Sind bereits zahlreiche Beta-Zellen zerstört, macht sich der Insulinmangel oft mit Symptomen wie großer Durst, häufiges Wasserlassen, Müdigkeit, Gewichtsverlust und Übelkeit bemerkbar. Ein Typ-1-Diabetes entsteht oft innerhalb weniger Tage und Wochen. Eltern sollten beim Auftreten solcher Symptome bei ihrem Kind deswegen zügig einen Arzt aufsuchen.

Weit seltener bei Kindern in Europa ist der Typ-2-Diabetes, der vor allem infolge einer ungesunden Ernährung mit starkem Übergewicht entstehen kann. Bei dieser Erkrankung stellt die Bauchspeicheldrüse zwar noch Insulin her, allerdings kann dieses nicht in die Zellen gelangen. Auch bei einem Typ-2-Diabetes steigen deswegen die Blutzuckerwerte an. Er wird in der Regel zunächst aber nicht mit Insulin, sondern mit Tabletten behandelt. Erste Maßnahme muss gerade bei Kindern die Ernährungsumstellung unterstützt durch Bewegung sein, mit dem Ziel, Übergewicht abzubauen.

Ziel der Behandlung eines Diabetes ist es, den Blutzucker im möglichst normalen Bereich zu halten, um akute Stoffwechselentgleisungen Gefäß- und Organschäden infolge dauerhaft zu hoher Blutzuckerwerte zu verhindern.

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Diabetes-Therapie bei Kindern

Kinder mit Typ-1-Diabetes besitzen zu wenig oder kein eigenes Insulin mehr. Das führt dazu, dass der Zucker aus dem Blut nicht in die Zellen gelangt, wo er für die Energiegewinnung benötigt wird. Stattdessen steigt der Blutzucker an. Die Behandlung des Typ-1-Diabetes zielt darauf ab, den Stoffwechsel wieder in den Griff zu bekommen und stark erhöhte oder zu niedrige Blutzuckerwerte zu vermeiden. Mehr über zu hohe und zu niedrige Werte lesen Sie weiter unten.

Der behandelnde Arzt wird dabei die Zielwerte sowie die Therapie nach den Blutzuckerwerten, den Lebensumständen und den individuellen Möglichkeiten des Kindes anpassen. In Schulungen lernen Eltern und Kind, wie sie den Alltag mit Diabetes meistern und worauf sie achten müssen. Auch für Lehrer und Betreuer gibt es Schulungen, in denen sie sich informieren können.

Blutzuckerwerte senken mit Insulin

Kinder mit Typ-1-Diabetes brauchen mehrmals täglich Insulin, um ihren Blutzuckerspiegel zu normalisieren. Dieses lässt sich mit einem Pen unter die Haut spritzen. Häufig erhalten junge Diabetespatienten in Deutschland sofort nach der Diagnose eine Insulinpumpe, die für den Basalbedarf laufend kleine Mengen Insulin abgibt und bei der der Patient für die Mahlzeiten und bei zu hohen Werten zusätzlich Insulin abruft. Standard bei der herkömmlichen Behandlungsform ist die intensivierte Insulintherapie. Bei dieser erhalten die Kinder ein lang wirkendes Insulin, das den Grundbedarf abdecken soll – das sogenannte Basalinsulin. Zusätzlich sollen kurz wirkende Insuline die Blutzuckeranstiege nach dem Essen abfangen und zu hohe Blutzuckerwerte korrigieren.

Bei der Dosierung müssen der aktuelle Blutzuckerwert sowie die bevorstehende Mahlzeit und körperliche Aktivitäten berücksichtigt werden. Denn Ernährung und Bewegung wirken sich auf den Blutzuckerspiegel aus. Prinzipiell können Kinder mit Diabetes alles essen. Auch Zucker ist nicht tabu, sollte aber grundsätzlich im Rahmen einer gesunden Ernährung reduziert werden. In einer Schulung lernen Eltern und Kinder, wie sie den Kohlenhydratgehalt einer Mahlzeit richtig berechnen, der für den Blutzuckeranstieg verantwortlich ist. Nur so wissen sie, wie viel Insulin sie spritzen müssen, um den Zuckeranstieg nach dem Essen auszugleichen. Kohlenhydrate stecken etwa in Nudeln, Brot, Kartoffeln, Reis und zuckerhaltigen Speisen. Um zu vermeiden, dass der Blutzucker zu tief sinkt, können Schulkinder mit Diabetes bei Bedarf auch außerhalb der Schulpausen im Unterricht etwas essen. Ansonsten besteht die Gefahr schwerer Unterzuckerungen.

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Insulinpumpe: Alternative zum Spritzen

Insulinpumpen sind kleine Geräte, die Menschen mit Diabetes laufend mit Insulin versorgen. Die Nutzer tragen sie ständig, etwa am Hosenbund. Über einen dünnen Schlauch und eine Stahl- oder Teflonkanüle, die unter die Haut gelegt und alle paar Tage gewechselt wird, meist am Bauch, gelangt das Insulin in das Unterhautfettgewebe. Es gibt auch schlauchlose Patch-Pumpen (Patch: engl.= Pflaster). Diese werden direkt auf die Haut geklebt.

Insulinpumpen geben wie die Bauchspeicheldrüse rund um die Uhr kleine Mengen Insulin ab, um die Grundversorgung des Körpers zu decken – den sogenannten Basalbedarf. Das zu den Mahlzeiten oder zur Korrektur hoher Werte zusätzlich benötigte Insulin, den Bolus, können Anwender per Knopfdruck über das Menü der Pumpe oder mit einer Fernbedienung abgeben.

Vor allem bei kleinen Kindern hat die Therapie mit der Insulinpumpe Vorteile. Das Spritzen mit dem Pen entfällt. Mit diesem lassen sich die geringen Insulinmengen, die Kleinkinder brauchen, oft schlecht dosieren, was eine Ursache für Blutzuckerschwankungen sein kann. Mit der Pumpe klappt das besser. Auch für Eltern oder Betreuer in Schule und Kindergarten ist die Insulin-Abgabe per Knopfdruck einfacher als mit Pen oder Spritze.

Auch spontan Sport treiben oder etwas essen ist mit der Pumpe ohne Probleme möglich. Bei der Pumpe lässt sich die abgegebene Insulinmenge einstellen und genau dosieren. Das führt dazu, dass in der Regel weniger Unterzuckerungen auftreten. Manche Pumpen arbeiten mit Systemen zur kontinuierlichen Zuckermessung zusammen und schlagen beispielsweise bei drohendem Unterzucker Alarm.

Die Pumpen der neusten Generation sind so genannte Hybrid-Closed-Loop-Systeme. Bei diesen halbautomatischen Pumpen erfolgt die Abgabe des basalen Insulins automatisch mittels Sensor, Pumpe und einem bestimmten Algorithmus. Kohlenhydrate der Mahlzeiten müssen exakt berechnet und in die Pumpe eingegeben werden. Außerdem müssen die Hybrid-Closed-Loop-Systeme regelmäßig manuell kalibriert werden.

Eltern müssen eine Insulinpumpe bei der Krankenkasse beantragen. In der Regel benötigen sie hier ein Gutachten vom Diabetologen. Besprechen Sie das Vorgehen mit Ihrem Arzt und klären Sie mit Ihrer Krankenkasse, welche Unterlagen, etwa ein Blutzuckertagebuch, Sie einreichen sollen.

Blutzucker kontrollieren

Der Blutzuckerspiegel muss regelmäßig gemessen werden, um zu hohe oder zu niedrige Werte rechtzeitig zu erkennen. Es gibt hier mehrere Möglichkeiten der Messung, etwa über Teststreifen und ein Blutzuckermessgerät oder über elektronische Systeme für CGM (Continuous Glucose Monitoring) oder FGM (Flash Clucose Monitoring), die beide für Kinder mit Diabetes sehr gut geeignet sind.

Bei CGM-Systemen misst ein in der Regel am Bauch oder Hüfte eingestochener, wenige Millimeter langer dünner Sensorfaden ständig den Zuckergehalt im Unterhautfettgewebe. Je nach System setzt man sich etwa alle sechs bis zehn Tage einen neuen Sensor. Ein daraufgesteckter Transmitter (Sender) funkt die Werte an ein Empfangsgerät, etwa ein Smartphone. Dieses zeigt den aktuellen Wert, den Zuckerverlauf und mithilfe von Trendpfeilen, ob und wie stark der Zucker gerade fällt oder steigt. Werden individuell festgelegte untere und obere Grenzwerte überschritten, ertönt ein Alarm. Einige Systeme warnen schon früher. Etwa wenn aufgrund des raschen Zuckerabfalls bald ein Unterzucker droht. So lässt sich rechtzeitig gegensteuern. Die Zuckerkurve zeigt alle Hochs und Tiefs im Tagesverlauf. Der Arzt kann die Zuckerkurve elektronisch auslesen und die Therapie gegebenenfalls anpassen. Einige CGM-Systeme müssen mindestens zweimal täglich per Blutzuckermessung kalibriert werden. Vergisst man dies, stimmen die Werte nicht.

FGM-Systeme (Flash Glucose Monitoring) arbeiten ähnlich wie CGM-Systeme. Um die aktuellen Zuckerdaten zu sehen, muss man aber ein Lesegerät (Scanner) oder Handy an den Sensor halten.

Bei den ganz Kleinen und Kindergartenkindern übernehmen die Eltern oder teilweise die Betreuer im Kindergarten das Messen, Schulkinder können dies häufig schon selbst. Die Hilfe von Erwachsenen ist allerdings oft nötig, um die Messergebnisse zu interpretieren und die Insulinmenge zu berechnen, die gespritzt oder über die Pumpe abgegeben werden muss.

Falls Kinder mit Diabetes kein CGM- oder FGM-System zur Zuckerkontrolle benutzen, müssen sie ihre Blutzuckerwerte etwa fünf bis acht mal täglich mit einem Piks in die Fingerkuppe messen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, die Werte häufiger zu kontrollieren. Das gilt vor allem:

  • bei starken Blutzuckerschwankungen
  • vor, während und nach dem Sport 
  • bei Verdacht auf eine beginnende Unterzuckerung

Das Messen selbst ist heute denkbar einfach. Eine Anleitung und Tipps zum richtigen Messen finden Sie hier.

Bei zu tiefen oder hohen Werten richtig reagieren

Je nach Ergebnis der Blutzuckermessung kann es nötig sein, sofort etwas zu unternehmen: Wenn der Wert beispielsweise zu niedrig ist, sorgt ein Snack mit Kohlenhydraten, die schnell ins Blut aufgenommen werden (etwa ein Glas Saft) dafür, dass der Blutzucker nicht weiter sinkt, sondern wieder ansteigt (siehe unten). Bei zu hohen Werten kann es sinnvoll sein, zusätzlich Insulin zu spritzen.

Alle Testergebnisse am besten notieren – zum Beispiel in einem Blutzuckertagebuch. Bei CGM- oder FGM-Systemen geschieht die Dokumentation elektronisch. Auch einfache Blutzuckermessgeräte besitzen in der Regel einen elektronischen Speicher, aus dem die Werte abgerufen und etwa auf den Computer übertragen werden können. Die Daten sind für den Arzt wichtig, um die Insulintherapie anpassen zu können.

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Zu hohe und zu tiefe Blutzuckerwerte

Leichte Unterzuckerungen sind relativ häufig, aber harmlos, wenn sie rechtzeitig erkannt werden. Riskant wird es, wenn der Blutzucker zu tief fällt. Auch stark erhöhte Blutzuckerwerte können gefährlich werden.

Unterzucker

Bei einer Unterzuckerung fällt der Blutzuckerspiegel stark ab. Häufige Gründe sind:

  • Zu viel Insulin gespritzt
  • Mahlzeit vergessen oder Kohlenhydratgehalt der Mahlzeit zu gering
  • Sport getrieben, ohne die Insulindosis vorher zu senken
  • Fehler bei der Blutzuckermessung und daher Injektion einer zu hohen Insulindosis
  • Magen-Darm-Infekte mit Übelkeit und Erbrechen (in der Folge können Kohlenhydrate nicht ins Blut gelangen)

Kinder im Schulalter können frühe Anzeichen einer Unterzuckerung oft bereits selbst erkennen und richtig reagieren. Kindergartenkinder können zwar schon mitteilen, dass sie Symptome fühlen, nehmen diese aber nicht immer zuverlässig wahr. Ebenso wie Kleinkinder sind sie darauf angewiesen, dass Eltern oder Betreuer auf Warnzeichen achten und richtig handeln.

Frühe Warnzeichen:

  • Blässe um Mund und Nase
  • Schweißausbrüche
  • Zittern
  • Schneller Puls
  • Heißhunger
  • Verhaltensänderungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Veränderte Schrift

Die Beschwerden treten meist auf, wenn der Blutzuckerspiegel unter 70 mg/dl fällt. Die Schwelle für eine Unterzuckerung ist aber individuell verschieden. Auch die Anzeichen dafür unterscheiden sich von Mensch zu Mensch. Eltern bekommen meist schnell ein Gespür dafür, wenn ihr Kind unterzuckert, und sollten Erziehern oder Lehrern für den Fall der Fälle entsprechende Informationen geben.

Hinweise auf eine schwere Unterzuckerung:

  • Verhaltensänderungen
  • Konzentrationsstörungen
  • Veränderte Schrift
  • Kopfschmerzen
  • Seh- und Sprachstörungen
  • Verwirrtheit, Schläfrigkeit
  • Krampfanfall
  • Bewusstlosigkeit

Eine Unterzuckerung lässt sich schnell mit Kohlenhydraten beseitigen, die rasch ins Blut übertreten: Traubenzuckertäfelchen, Cola/Limo (keine Light-/Diät-/Zero-Produkte!) oder Gummibärchen.

Wichtig: Kohlenhydrate bei den ersten Zeichen eines Unterzuckers einnehmen. Keinesfalls darf ein Schulkind damit etwa bis zur nächsten Pause warten. Außerdem ist es wichtig, bei beginnender Unterzuckerung jede körperliche Tätigkeit zu unterbrechen, damit der Zucker nicht weiter sinkt.

Wenn ein Mensch mit Diabetes im Rahmen einer Unterzuckerung bewusstlos wird, sollte man ihm wegen der Gefahr des Verschluckens keine Flüssigkeit einflößen, da es sonst zu Atemproblemen kommen kann. Bei Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit kann dem Betroffenen ein Glukagon-Spray über die Nase verabreicht werden. Glukagon führt dazu, dass die körpereigenen Zuckerspeicher sich entleeren und der Blutzuckerspiegel rasch wieder steigt. Alternativ gibt es die Möglichkeit, sich eine Notfallspritze (Glukagon-Set) verschreiben zu lassen. Diese Spritze können auch Laien verabreichen. Da Glukagon Übelkeit auslösen kann, sollte man die Patienten in die stabile Seitenlage bringen und ihnen nach dem Aufwachen etwas zu essen geben, dass den Blutzucker erhöht. Wichtig: Bei schweren Unterzuckerungen mit Bewusstlosigkeit sollte immer der Notarzt verständigt werden.

Während einer Unterzuckerung kann auch die geistige Leistungsfähigkeit eingeschränkt sein. Nachdem das betroffene Kind Kohlenhydrate zu sich genommen hat, bessert sich dieser Zustand meist innerhalb weniger Minuten. Auf keinen Fall darf ein Kind mit Diabetes bei einer Unterzuckerung unbeaufsichtigt aus der Klasse oder gar nach Hause geschickt werden!

Hoher Blutzucker

Nicht immer verhindern Insulin-Injektionen zuverlässig, dass der Blutzucker steigt. Mögliche Gründe sind beispielsweise Fehler beim Spritzen, falsche Ernährung,  Bewegungsmangel oder Infekte. Auch seelische Belastungen wie Ärger und Aufregung können den Blutzucker erhöhen.

Ein anhaltend hoher Blutzucker kann bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen mit Diabetes eine Reihe von Symptomen auslösen (siehe weiter unten), von denen starker Durst und Azetongeruch in der Atemluft, der an Nagellackentferner oder überreifes Obst erinnert, typisch sind. Treten solche Zeichen auf, weist das auf eine beginnende Stoffwechselentgleisung hin, eine sogenannte Ketoazidose. Diese kann bei Insulinmangel etwa bei Werten ab 250 mg/dl (13,9 mmol/l) auftreten.

Ein Ketontest im Urin oder Blut zeigt, ob sich eine Ketoazidose anbahnt. Fällt der Test positiv aus, unbedingt die Maßnahmen befolgen, die mit dem Kinderdiabetologen abgesprochen sind. Wichtig ist, dass das Kind sofort viel Flüssigkeit trinkt, zum Beispiel Mineralwasser, und Insulin erhält. Bessert sich die Stoffwechsellage nicht, kann es zu einem diabetischem Koma kommen. Dieses ist lebensbedrohlich und muss stationär behandelt werden.

Mit etwas Sorgfalt bei der Insulintherapie und Achtsamkeit lassen sich diese Stoffwechselentgleisungen in der Regel gut verhindern.
Die wichtigsten Warnzeichen sind:

  • Starker Durst 
  • Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen
  • Häufiger Harndrang
  • Rasche Ermüdung
  • Azetongeruch (ähnlich wie faules Obst oder Nagellackentferner)

Bewegung und Sport

Kinder mit Diabetes können und sollten körperlich aktiv sein. Sie können ohne Einschränkung am Turnen im Kindergarten und Sportunterricht in der Schule teilnehmen. Sie sind genauso leistungsfähig wie ihre gesunden Altersgenossen.

Allerdings verbraucht Bewegung Energie und senkt daher den Blutzucker. Um Unterzuckerungen zu verhindern, müssen Kinder mit Typ-1-Diabetes deshalb entweder vorher weniger Insulin spritzen oder zusätzliche Kohlenhydrate zu sich nehmen. Vor sportlichen Aktivitäten daher immer den Blutzucker messen und Traubenzucker griffbereit halten. Der Ausgangswert des Blutzuckers sollte vor dem Sport ausreichend hoch sein (in der Regel: 150 mg/dl bzw. 8,3 mmol/l). Kinder, Eltern und Betreuer stimmen mit dem behandelnden Arzt ab, wie sie ihre Therapie bei Sport anpassen müssen.

Pausen für Zwischenmahlzeiten einlegen

Kritisch wird es, wenn der beim Sport erhöhte Energieverbrauch nicht durch eine verringerte Insulindosis oder erhöhte Kohlenhydratzufuhr aufgefangen wird oder die körperliche Betätigung anstrengender ausfällt als geplant. Bei längeren Aktivitäten, etwa mehrstündigen Wanderungen, können deshalb kurze Pausen für zusätzliche Zwischenmahlzeiten nötig werden. Auch wenn die Sportstunde in der Schule unerwartet verlegt wird, müssen Kinder mit Diabetes Gelegenheit bekommen, vorher etwas zu essen, um einer Unterzuckerung vorzubeugen.

Kontrollieren Sie im Idealfall zwischendurch den Blutzucker. Unterzucker-Warnzeichen wie Schwitzen oder schneller Puls können durch die Anstrengung beim Sport maskiert werden.

Bei sehr hohen Blutzuckerwerten ist Sport verboten. Denn diese sind ein Zeichen für einen Insulinmangel. Die Folge kann sein, dass der Blutzuckerspiegel trotz körperlicher Aktivität nicht sinkt – da kein Insulin vorhanden ist das den Blutzucker in die Zellen schleußt – sondern im Gegenteil sogar weiter steigt. Denn beim Sport werden Stresshormone wie Adrenalin ausgeschüttet, die Zucker aus den Körperspeichern freisetzen und so den Blutzuckerspiegel erhöhen. Die Folge kann eine Stoffwechselentgleisung sein. Bei stark erhöhten Blutzuckerwerten deswegen im Zweifelsfall vorab auch einen Ketontest machen, um diese rechtzeitig zu erkennen.

Grundsätzlich ist mit Diabetes auch Leistungssport möglich. Wie weit betroffene Kinder und Jugendliche sich an besonders intensiven Aktivitäten beteiligen können und welche Vorsichtsmaßnahmen sie gegebenenfalls ergreifen sollten, sollte mit dem betreuenden Arzt und dem Diabetesteam abgestimmt werden.

Problemlos in Kindergarten und Schule – Tipps für Eltern

1. Sprechen Sie offen mit Erziehern und Lehrern

Informieren Sie Kindergarten und Schule frühzeitig über den Diabetes Ihres Kindes. Bringen Sie zum Gespräch Informationsmaterial für Erzieher und Lehrer mit. Wenn Sie sich unsicher fühlen: Bitten Sie Ihre Diabetesberaterin, Sie zu begleiten.

Vereinbaren Sie schriftlich mit der Leitung, dass Sie Erzieher oder Lehrer für Fehler nicht haftbar machen. Und sichern Sie zu, dass Sie stets telefonisch erreichbar sind.

2. Bitten Sie Ihre Diabetesberaterin, Betreuer und Lehrer zu schulen

Diabeteszentren bieten Schulungen für Lehrer und Betreuer von Kindern mit Diabetes an. Professionelle Aufklärung hilft, Ängste und Vorurteile abzubauen: Je mehr Erzieher, Lehrer und Mitschüler über die Diabetestherapie wissen, desto eher sind sie bereit, Ihr Kind zu unterstützen. Auch vor Ausflügen und Klassenfahrten kann ein Gespräch der Diabetesberaterin mit Eltern, Lehrern und Schulfreunden Vertrauen schaffen.

3. Blutzuckermanagement in Schule und Kita

Diabetes-Schulungen für Kinder im Schulalter haben das Ziel, den Kindern ein hohes Maß an Selbständigkeit im alltäglichen Diabetes-Management zu ermöglichen. Gerade jüngere Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter sind durch ein eigenständiges Blutzuckermanagement jedoch überfordert. Sie brauchen hier Unterstützung. Eltern können bei der Krankenkasse einen Pflegedienst beantragen, der zum Messen und Insulin verabreichen in die Schule oder in die Kita kommt. Der Pflegedienst erscheint nur zu festen Zeiten und kann zum Beispiel nicht abwarten, ob ein Kind die Mahlzeit, für die er Insulin gegeben hat, auch aufisst. Reicht diese Unterstützung nicht aus, können Eltern beim Sozial­amt eine Integra­tions- oder Eingliederungshilfe beantragen, die ihr Kind während der Schulzeit begleitet. Dabei handelt es sich um eine geschulte Fachkraft, zum Beispiel eine Kinderpflegerin, die sich den ganzen Kindergarten- und Schultag um Ihr Kind kümmert und auch für andere Kinder da ist. Beim Antragstellen sind Ihnen die Sozialarbeiter Ihres Diabeteszentrums behilflich.

4. Ausflüge und Klassenfahrten

Ein mit seinem Diabetes vertrautes Kind kann an Ausflügen und mehrtägigen Klassenfahrten genauso selbstverständlich teilnehmen wie am Sport. Je nach Alter und Selbständigkeit braucht das Kind bei solchen besonderen Aktivitäten aber etwas mehr Aufmerksamkeit und eine gute Vorbereitung. Besonders bei jüngeren Kindern kann es sinnvoll sein, dass ein Elternteil als Begleitung dabei ist.

Das Ausflugsprogramm sollten die Betreuer und Eltern zusammen vorab mit dem Kind besprechen. Ungewohnte körperliche Belastungen wie Wanderungen, Ski- oder Badetage werden eine Umstellung des Therapieplans nötig machen. Insulindosis und Ernährung müssen auf die körperliche Belastung und den veränderten Tagesablauf abgestimmt werden.

In der Verantwortung der Betreuer vor Ort liegt es, darauf zu achten, dass das Kind seine Zeiten für Mahlzeiten und Spritzen einhält. Zur Sicherheit sollten sie auch stets ein Päckchen Traubenzucker gegen Unterzuckerungen dabei haben.

Krankes Kind – was tun?

Infekte bringen die Blutzuckerwerte bei Kindern besonders schnell durcheinander. Deshalb ist es wichtig, den Blutzucker häufiger als sonst zu kontrollieren. Zudem entwickeln Kinder rascher einen Flüssigkeitsmangel, weshalb Eltern unbedingt darauf achten müssen, dass ihr Kind genug trinkt.

Fieber erhöht Insulinbedarf

Fieberhafte Erkrankungen erhöhen den Insulinbedarf. Die Insulindosis zu den Mahlzeiten (Bolus) sollte deshalb bei einem fieberhaften Infekt um zehn bis dreißig Prozent erhöht werden. Reicht das nicht, muss eventuell auch die Dosis des Basalinsulins erhöht werden. Das genaue Vorgehen dabei bitte unbedingt mit dem Arzt absprechen und diesen bei Zweifeln auch sonst immer anrufen.

Bei Durchfall und Erbrechen kann der Körper die Kohlenhydrate nicht richtig verwerten. Das erhöht das Risiko für Unterzuckerungen. Daher kann es nötig sein, zunächst die Dosis des Basalinsulins zu verringern – um wie viel, klären Sie mit dem behandelnden Arzt ab. Lassen Sie das Basalinsulin aber nie ganz weg. Auch wenn ein Kind erbricht oder nichts isst, braucht es Insulin. Denn diese Symptome können Warnzeichen für eine Ketoazidose sein. Die Dosis des Mahlzeiteninsulins sollte etwa um ein Drittel bis um die Hälfte verringert werden. Auch hierbei lassen Sie sich vom Arzt individuell beraten.

Essen und trinken bei Krankheit

Geben Sie Ihrem Kind kleine Portionen Salzstangen oder Weißbrot ohne fetthaltigen Aufstrich zu essen. Kann es nichts Festes bei sich behalten, geben Sie ihm gesüßte Getränke in kleinen Schlucken. So beugen Sie einer Unterzuckerung vor.

Wenn das Kind nichts essen oder trinken möchte, bieten Sie ihm geduldig immer wieder ein Löffelchen an. Bei Magen-Darm-Infekten mit Erbrechen kann ein brechreizhemmendes Zäpfchen helfen, etwa mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat. Das gibt es rezeptfrei in der Apotheke, sprechen Sie aber zuvor mit dem Kinderarzt, ob es in Ihrem Fall geeignet erscheint. Unmittelbar nach dem Erbrechen ist der Brechreiz am geringsten. Nutzen Sie das aus, um Ihrem Kind genau dann etwas anzubieten. Gegen Flüssigkeitsmangel können Sie auch Elektrolytpräparate aus der Apotheke geben. Babys und Kleinkinder trocknen rasch aus, bei Anzeichen wie zunehmender Müdigkeit, Apathie, sollten Sie einen Arzt kontaktieren.

Test zeigt Übersäuerung an

Erbrechen und Bauchschmerzen können auch die Folge einer Übersäuerung des Körpers sein, einer Ketoazidose. Um diese rechtzeitig zu erkennen, sollten Sie bei Ihrem Kind einen Test auf Azeton im Urin oder im Blut machen, in einer solchen Situation am besten bei jedem Wasserlassen.

Ein deutlich positives Ergebnis bedeutet, dass eine gefährliche Übersäuerung droht. Korrigieren Sie erhöhte Zuckerwerte nach den Regeln, die Ihnen der Arzt für den Fall einer Ketoazidose gegeben hat.

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Beratender Experte

Professor Dr. Andreas Neu leitet die Diabetes-Ambulanz an der Kinderklinik der Universität Tübingen.