Der Diabetes und die Liebe
Experten geben Tipps für alle Phasen einer Beziehung, die beide Partner stärken

Der Diabetes ist auch für Partner oder Partnerin ein ständiger Begleiter
Eigentlich ist es eine Dreier- oder sogar Viererbeziehung: Wenn der Diabetes von einem oder zwei der Verliebten in die Partnerschaft hineinfunkt, wirft das Fragen auf. Was tun, wenn der Partner die Krankheit vernachlässigt? Wie mit Unterzuckerungen umgehen — beispielsweise im Bett?
Eine wichtige Lektion: "Seien Sie achtsam für die schönen Dinge in der Partnerschaft und geben Sie dem Diabetes nur den Raum, den er benötigt", sagt Psychodiabetologin Dr. Ulrike Löw aus Aschaffenburg.
Der Diabetes und die Liebe


Das Kennenlernen
Wer Diabetes in eine neue Partnerschaft mitbringt, macht sich vielleicht Gedanken darüber, wann und wie er dem anderen von seiner Erkrankung erzählen soll. "Gerade junge Menschen mit Typ-1-Diabetes sind manchmal besorgt, ob sie auf Vorbehalte stoßen, wenn sie sich ‚outen‘", sagt Psychodiabetologin Dr. Ulrike Löw. Doch diese Sorge sei meist unbegründet.
"Manche legen die Karten sofort auf den Tisch, andere brauchen länger, um sich zu öffnen", so Expertin Löw. Wichtig sei nur, den Diabetes nicht dauerhaft vor dem anderen zu verheimlichen und damit dessen Vertrauen aufs Spiel zu setzen.
Der Partner darf ruhig neugierig sein und auch mal vermeintlich dumme Fragen stellen. Ob es ums Blutzuckermessen, ums Kohlenhydrateberechnen oder Insulinspritzen geht — der Neuling erlebt vielleicht zum ersten Mal, was für seinen Partner mit Diabetes möglicherweise schon seit vielen Jahren Alltag ist.

Der Sex
Bei vielen Paaren mischt der Diabetes ausgerechnet da mit, wo man ihn gar nicht brauchen kann: im Bett. Jüngere Typ-1-Diabetiker plagt oft die Sorge, dass technisches Diabeteszubehör wie Pumpe und Sensor die Intimität stören könnten. Alles halb so wild, stellt sich später oft heraus. Die meisten Paare gehen schnell unverkrampft damit um.
Schwieriger wird es, wenn eine gestörte Durchblutung oder Nervenschäden auftreten. Männer leiden häufig unter Erektionsproblemen, Frauen unter einer trockenen Scheide, sagt Sexualmedizinerin Dr. Carla Pohlink aus Altenburg. Der Sex bringt dann Frust statt Freude.
Die gute Nachricht: Es gibt wirksame medizinische und psychologische Hilfen. Ansprechpartner bei sexuellen Problemen sind der Hausarzt oder der Diabetologe. Sie helfen Ihnen bei der Suche nach einem passenden Spezialisten.

Die Sorgen
Schlechte Werte, drohende Folgekrankheiten: Im Zusammenleben mit einem chronisch Kranken schwingt die Sorge um dessen Gesundheit immer mit. "Das ist völlig berechtigt", findet Dr. Rainer Paust, Leiter des Instituts für Psychosoziale Medizin am Elisabeth-Krankenhaus Essen.
"Besonders belastend für den Partner ist es, wenn der geliebte Mensch seinen Diabetes vernachlässigt", so Paust. Die eigene Angst in einer solchen Situation müsse man ernst nehmen und auch aussprechen.
Am besten redet man dabei über die eigene Befindlichkeit in "Ich"-Sätzen. Also statt "Dauernd vergisst du, deine Tabletten zu nehmen!" lieber "Ich mache mir Sorgen, weil du die Tabletten oft vergisst". Gefolgt von der Frage, ob man vielleicht helfen kann.

Die Krisen
Mit Diabetes zu leben ist eine Herausforderung. Für den Betroffenen und für den Partner. Besonders, wenn Folgeschäden oder Begleiterkrankungen wie Depressionen auftreten.
Ein häufiges Problem sind auch Unterzuckerungen. Bei zu tiefen Werten reagieren Diabetiker oft nicht rational, werden manchmal sogar aggressiv. "Argumente kommen nicht an, wenn das Gehirn infolge Zuckermangels unterversorgt ist", sagt Rainer Paust.
Helfende Partner sollten deshalb beharrlich bleiben, aber nicht diskutieren — also den Traubenzucker oder zuckerhaltigen Saft ohne viele Worte immer wieder anbieten. Aus Studien weiß man, dass Angehörige und Partner oft mehr Angst vor Unterzuckerungen haben als die Betroffenen selbst. Schulungen oder Gespräche mit der Diabetesberaterin, gemeinsam mit dem Partner, vermitteln Wissen und geben dadurch Sicherheit.

Die Chancen
Wenn sich Paare mit Diabetes arrangieren, entsteht oft sogar etwas Positives für beide. "Die Partner können zum Beispiel gemeinsam zu einem gesunden Lebensstil finden", sagt Psychologin Ulrike Löw.
"Lebenspartner sind für Menschen mit Diabetes eine wichtige Quelle für Kraft und Motivation", weiß Löw. Man ist nicht allein, hat jemanden, der für einen da ist, wenn es einem nicht gut geht. Wenn das Motto "Gemeinsam schaffen wir das!" heißt, lebt es sich leichter — in guten wie in schlechten Zeiten.