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Wer mit Diabetes am Steuer sitzt, macht sich vielleicht Gedanken um seine Fahrsicherheit. Laut der aktuellen Leitlinie „Diabetes im Straßenverkehr“ erhöht die Erkrankung das Risiko einen Unfall zu verursachen kaum. Wenn es doch passiert, dann meist aus einem bestimmten Grund, weiß Prof. Dr. Michael Hummel, Diabetologe in Rosenheim: „Verursacht ein Diabetiker einen Unfall, liegt es meist an einer Unterzuckerung.“

Unfälle meist im Unterzucker

Eine sogenannte Hypoglykämie (Unterzuckerung) können vor allem Betroffene bekommen, die Insulin spritzen oder die mit Diabetesmedikamenten behandelt werden, die die Insulinfreisetzung stimulieren (vor allem Sulfonylharnstoffe). Bei einer schweren Unterzuckerung wird das Gehirn nicht ausreichend mit Traubenzucker (Glukose) und damit mit Energie versorgt. Die Folgen: Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionsvermögen lassen nach. Bei einer schweren Unterzuckerung können Betroffene bewusstlos werden. Gerade zu Beginn einer Insulintherapie oder wenn die Dosis blutzuckersenkender Tabletten erhöht wird, können die Werte schwanken und das Risiko für Unterzuckerungen steigt. Wie Sie sich bei Problemen richtig verhalten, lesen Sie hier

Was tun bei Unterzucker?

Blutzuckermessgerät

Unterzucker (Hypoglykämie)

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Grundsätzlich ist Autofahren mit Diabetes möglich. Damit jedoch Sie sicher ans Ziel kommen, sollte der Blutzucker unbedingt im Blick gehalten werden.

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Autofahren

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Zu niedrige oder schwankende Zuckerwerte

Diabetiker, die gut über ihre Krankheit Bescheid wissen und ihre Blutzuckerwerte im Griff haben, dürfen uneingeschränkt Auto fahren. Vorausgesetzt, sie sind in der Lage, Unterzuckerungen rechtzeitig zu bemerken und Abhilfe zu schaffen. "Denn zu niedrige und stark schwankende Werte können die Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr deutlich beeinträchtigen", erklärt Experte Hummel.

Hatte man in den letzten zwölf Monaten mehr als eine schwere Unterzuckerung, darf man allerdings nicht Autofahren – in der Regel für drei Monate. Als schwer gilt eine Unterzuckerung, wenn der Betroffene auf fremde Hilfe angewiesen ist.

Berufsfahrer mit Diabetes

Es ist grundsätzlich auch möglich, mit Diabetes LKW, Bus oder Taxi zu fahren – dafür gelten aber einige Voraussetzungen. Zum Beispiel darf in den letzten zwölf Monaten nicht mehr als eine schwere Unterzuckerung aufgetreten sein und die Blutzuckerwerte müssen mindestens zweimal täglich sowie zu den für das Fahren relevanten Zeiten kontrolliert und dokumentiert werden. Außerdem ist alle drei Jahre eine fachärztliche Begutachtung vorgeschrieben. Dazu sollten sich Patienten an einen Diabetologen mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation wenden. Die Arztsuche der Deutschen Diabetes Gesellschaft bietet einen entsprechenden Filter an. Wichtig: Der Gutachter darf nicht der behandelnde Arzt sein.

Diagnose Diabetes: Was jetzt?

Wer seinen Führerschein schon hat und erst dann Diabetes bekommt, muss die Erkrankung der Fahrerlaubnis-Behörde nicht melden. Wichtig ist aber, dass Sie sich regelmäßig ärztlich untersuchen und beraten lassen. Besprechen Sie mit dem Diabetesteam, in welchem Bereich der Blutzuckerwert vor Fahrtantritt idealerweise liegen sollte. Erfährt die Fahrerlaubnis-Behörde, dass jemand Diabetes hat (etwa infolge eines Unfalls), kann sie den Betreffenden auffordern, in einem ärztlichen Gutachten nachzuweisen, dass er fahrtauglich ist.

Wer beruflich Bus, Taxi oder LKW fährt, sollte unbedingt den zuständigen Betriebsarzt über die Diagnose informieren und mit ihm besprechen, ob weitere Schritte notwendig sind, wie beispielsweise ein Gutachten zur Bewertung der Fahreignung. Laut Leitlinie "Diabetes und Straßenverkehr" dürfen aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht fahruntaugliche Patienten nicht an Behörden oder die Poilzei gemeldet werden. Doch es geht um Ihre Sicherheit und um die der anderen Verkehrsteilnehmer, daher bitte nie entgegen eines ärztlichen Rates fahren!

Werte dokumentieren

Wird der Diabetes mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen behandelt, sollte man vor Fahrtantritt den Blutzucker messen und den Wert notieren. So dokumentiert man im Falle eines Unfalls, dass man mit seiner Erkrankung verantwortungsbewusst umgeht. Losfahren sollte man nur, wenn der Wert über einem mit dem Arzt vereinbarten Wert liegt. Die Leitlinie empfiehlt, dass dieser Wert nicht unter 90 mg/dl bzw. 5,0 mmol/l liegen sollte. Prof. Hummel empfiehlt seinen Patienten in der Regel nicht unter 100 mg/dl bzw. 5,6 mmol/l loszufahren. Spätestens alle drei Stunden sind beim Fahren Messpausen nötig.

Bei Unterzucker-Verdacht die Fahrt bitte sofort unterbrechen und als erstes „schnelle" Kohlenhydrate wie Traubenzucker zu sich nehmen, die schnell ins Blut gelangen und Energie freisetzen. Erst dann sollte man den Blutzucker kontrollieren. So vermeidet man, dass der Wert noch weiter absinkt und es zu Bewusstseinsstörungen kommt. Am besten hat man diese Not-Reserve an Traubenzucker immer griffbereit – zum Beispiel im Fach der Fahrertür. Nach einer Unterzuckerung gilt: frühestens ab dem Wert losfahren, den man mit dem Arzt festgelegt hat, zum Beispiel 100 mg/dl bzw. 5,6 mmol/l.

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Veränderungen an den Augen

Sinken schon länger erhöhte Blutzuckerwerte zum Beispiel zu Beginn einer Insulintherapie schnell ab, sehen Betroffene manchmal verschwommen. Denn durch einen hohen Zuckerwert kann die Augenlinse Wasser binden und aufquellen – die Brechkraft ändert sich. Nach einer Weile passt sich das Gehirn an. Sinkt der Blutzuckerspiegel mit Beginn der Therapie wieder ab, schwillt die Linse ab und die Brechkraft ändert sich erneut. Das Gehirn muss sich wieder anpassen. In dieser Zeit können Sehstörungen auftreten. Das kann die Fahrtauglichkeit vorübergehend einschränken.

Bei hohen Zuckerwerten kann auf Dauer auch die Netzhaut Schaden nehmen. Mögliche Folgen sind eine schlechtere Sicht, ein eingeschränktes Gesichtsfeld. Schlimmstenfalls drohen Netzhautablösung und Erblindung. "Damit diabetesbedingte Schäden frühzeitig entdeckt und behandelt werden können, sollten Diabetiker regelmäßig ihre Augen untersuchen lassen", betont Hummel. Der Check beim Augenarzt sollte für Menschen mit Diabetes mindestens alle zwei Jahre im Kalender stehen. Am besten mit dem Augenarzt besprechen, ob dies ausreichend ist.

Nebenwirkungen von ­Medikamenten

Viele Arzneien können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen, weil sie müde oder benommen machen. Dazu zählen bestimmte rezeptfreie Mittel gegen Erkältungen, Husten oder Allergien, aber auch verschreibungspflichtige wie starke Schmerz- und Schlafmittel sowie Medikamente, die im Gehirn wirken, etwa Mittel gegen Depressionen. Am besten fragt man seinen Arzt oder Apotheker, ob man fahren darf, wenn man das jeweilige Arzneimittel einnimmt. Wenn der Blutzucker während einer akuten Erkrankung verrücktspielt, sollte man sich nicht ans Steuer setzen. Es gibt noch weitere Gründe, bei denen der Arzt zur Vorsicht beim Fahren rät: Zum Beispiel, wenn jemand unter nächtlichen Atemaussetzern leidet. Das sogenannte das Schlafapnoe-Syndrom kann zu Sekundenschlafattacken führen - die Gefahr am Steuer einzunicken ist somit hoch. Grundsätzlich sollte man nicht fahren, wenn man müde ist.

Ein Fahrverbot kann zwar nur die zuständige Behörde oder ein Gericht anordnen. Dennoch sollte man den ärztlichen Rat ernst nehmen: Er dient dem Zweck, gefährliche Situationen zu vermeiden – für den Betroffenen und für andere. Wer dennoch fährt und einen Unfall verursacht, muss mit härteren Strafen rechnen. Denn der Fahrer hat ja von seinem Risiko gewusst und eventuell fahrlässig gehandelt. Es drohen Probleme mit der Kfz-Versicherung.

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Fahren meist auch bei Folgeerkrankungen möglich

Diabetes begünstigt die Ent­stehung von anderen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Herzproblemen. Ist der Blutdruck gut eingestellt, darf man ans Steuer. Auch nach einem Herzinfarkt ist ­Autofahren in der Regel ­wieder möglich. Bei Herzrhythmus­störungen oder einer Herzschwäche hängt die Fahrsicherheit von der Schwere der Erkrankung ab, bei einem Schlaganfall vom Ausmaß der Folgeschäden. Ob und wann Betroffene wieder fahren dürfen, müssen Sie mit ihrem Arzt besprechen.

Wenn hohe Zuckerwerte die Nerven schädigen, kann das das Feingefühl und die Kraft in den Füßen und Beinen beeinträchtigen. "Dass infolge einer solchen diabetesbedingten Neuropathie die Pedale nicht mehr bedient werden können, kommt aber selten vor", beruhigt Diabetologe Hummel. Für diesen Fall gibt es die Möglichkeit, das Auto umrüsten zu lassen. Ein "diabetischer Fuß" kann zeitweise oder auf Dauer ein ärzt­liches Fahrverbot mit sich bringen.

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Fortgeschrittenes Alter

"Etwa ab 65 Jahren steigt das Unfallrisiko an", sagt Jürgen Brenner-Hartmann vom TÜV Süd in Ulm. "Vor allem das Einschätzen komplexer Verkehrssituationen auf unbekannten Strecken bereitet Älteren Mühe." Bei Diabetes können Folgekrankheiten und nachlassendes Gespür für Unterzucker die Sicherheit zusätzlich beeinträchtigen. Beobachtet man vermehrt Fahrfehler bei sich, rät der Verkehrspsycho­loge zu einer "Rückmeldefahrt": Mit einem Experten als Begleiter ist man 45 Minuten im eigenen Auto unterwegs. Er macht auf Schwächen aufmerksam und hilft, sie zu beseitigen. Solche Fahren werden zum Beispiel vom ADAC angeboten.

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