Schluss mit Stress!
Zu viel um die Ohren, keine Zeit – und dann auch noch der Diabetes: Warum es so wichtig ist, zur Ruhe zu kommen. Und wie Sie es schaffen, die Stopp-Taste zu drücken

Verpflichtungen, Deadlines, Termine: Manchmal wird es einfach zu viel
Zu schnell, zu laut, zu viel. Es gibt Phasen im Leben, in denen einem alles über den Kopf wächst. 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland fühlen sich gestresst. Aber was ist Stress? Wann ist er nützlich, wann schädlich? Und wann ist er womöglich ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes?
"Stress ist zunächst einmal ein lebenswichtiger Mechanismus der Evolution", erklärt Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig, Facharzt für psychosomatische Medizin am Helmholtz Zentrum und an der Technischen Universität München. In Notsituationen, etwa wenn wir auf der Autobahn eine Vollbremsung einlegen müssen, nimmt der Körper seine ganze Kraft zusammen und versorgt uns mit extra Energie. Der Puls rast, der Blutdruck steigt. Wir sind in höchster Alarmbereitschaft — um schnell richtig reagieren zu können. "Stressreaktionen wie diese sind kurzfristig und unbedenklich", erklärt Ladwig. Ist die gefährliche Situation vorbei, beruhigen wir uns nämlich wieder.
Ständig unter Strom
Im modernen Leben allerdings wird Stress für viele zum Dauerzustand. Auf die Anspannung, zum Beispiel im Job, folgt keine Entspannung mehr. "Der Körper ist quasi ständig in Alarmbereitschaft", sagt der Experte. "Das macht krank." Und führt zum Beispiel zu Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kopfschmerzen, Depressionen. Forscher wissen das schon lange. "Neu ist, dass anhaltender Stress inzwischen als eigenständiger Risikofaktor für Typ-2-Diabetes gilt", sagt Karl-Heinz Ladwig. Er und sein Team wiesen dies anhand der Daten aus zwei großen Bevölkerungsstudien namens MONICA und KORA nach. Seit mehr als 20 Jahren lassen sich in und um Augsburg für diese Studien Tausende Probanden regelmäßig untersuchen und zu ihrer Gesundheit befragen. Laborwerte, Lebensstil, Arbeitsbelastung und Krankheiten: All das dokumentieren die Forscher.
Risikofaktoren aufgespürt
So gelang es ihnen, Stressfaktoren auszumachen, die zu Typ-2-Diabetes führen können — unabhängig von den bekannten Risikofaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und einer erblichen Veranlagung. An erster Stelle nennt Karl-Heinz Ladwig Stress im Job und lange Arbeitszeiten. Aber auch Einsamkeit oder Ärger können zu andauernden Stressreaktionen führen. Zudem sind Menschen mit psychischen Leiden wie Burn-out, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen gefährdet, Typ-2-Diabetes zu entwickeln.
Welche Mechanismen dabei im Körper ablaufen, ist noch nicht bis ins letzte Detail bekannt. "Wir wissen, dass Stresshormone, allen voran das Kortisol, dem Insulin entgegenwirken", sagt Ladwig. So führt Kortisol dazu, dass die Leber vermehrt Glukose ausschüttet. Dadurch steigt der Blutzucker. Zudem werden bei Stress Botenstoffe aktiv, die das Insulin nicht mehr so gut wirken lassen. Das kann zu einer Insulinresistenz führen und bei manchen Menschen zu einem Typ-2-Diabetes.
Diabetes als Stressauslöser
"Kommt zum Stress noch ein Diabetes hinzu, gerät man möglicherweise in ein Hamsterrad", sagt Dr. Rita R. Trettin, Fachpsychologin Diabetes in Hamburg. Blutzucker messen, Spritzen oder Medikamente einnehmen: Das kostet Kraft und Nerven. "Zudem haben viele Angst vor Unterzucker und Folgeschäden", sagt Trettin. Diabetikern, die schon seit Jahren mit der Erkrankung leben, ob Typ 1 oder Typ 2, geht dies häufiger so. Die Krankheit lässt sich eben nicht ausblenden.
Ob ein Mensch dazu neigt, sich stressen zu lassen, hängt auch von seiner seelischen Widerstandskraft ab, der Resilienz. Sie steckt zum Teil in den Genen, ist aber auch eine Frage der Erziehung und der Erfahrungen. Die gute Nachricht: Bis zu einem gewissen Grad ist sie erlernbar. Wer einen festen Willen zur Veränderung hat, kann es schaffen, eine eigene Strategie gegen Stress zu entwickeln. Der wohl wichtigste Schritt dabei: "Die Erkenntnis, dass es auf Dauer nicht mehr so weitergehen kann", sagt Psychotherapeut Ladwig.
Mehr Zeit für die schöne Dinge
Manchmal gelingt es, im Alltag Stressquellen auszuschalten, etwa keine Überstunden mehr zu machen, eine Putzhilfe zu organisieren oder ab und zu mal Essen zu bestellen statt selbst zu kochen. So lässt sich Zeit gewinnen für Dinge, die Freude bereiten. Am besten wäre es, Sport zu treiben. Das senkt den Stresslevel nachweislich.
Eine andere Möglichkeit sind Stressbewältigungstrainings oder Kurse, in denen man Entspannungsmethoden lernt. Sehr hilfreich für Diabetiker können auch Diabetes-Schulungen sein. Sie nehmen den Betroffenen die Angst vor der Erkrankung, zeigen ihnen, wie sie in Notfallsituationen handeln sollten.
"Es geht aber auch darum, den Diabetes bestmöglich in den Alltag zu integrieren", sagt Expertin Trettin, "und motiviert zu bleiben." Denn wer seinen Diabetes souverän managen kann, der gerät auch nicht so schnell unter Stress.
Stress? Ohne mich!


Sich wie ein Blitz entladen
Stellen Sie sich aufrecht hin, die Knie leicht gebeugt. Jetzt spannen Sie nach und nach alle Körperteile an: Krallen Sie sich mit den Füßen am Boden fest. Spannen Sie die Waden an. Jetzt die Oberschenkel. Klemmen Sie Ihre Pobacken zusammen. Ballen Sie die Hände zu Fäusten, und spannen Sie die Arme und den Bauch an, beißen Sie die Zähne zusammen. Halten Sie die Anspannung fünf Sekunden. Lösen Sie sie mit einem Seufzer. Diese Übung der An- und Entspannung am besten 3-mal wiederholen. So werden Sie in kurzer Zeit inneren Stress los.

Die Spannung wegatmen
Eine perfekte Übung für zwischendurch oder wenn Sie abends nach Hause kommen: Atmen Sie durch die Nase tief ein. Nehmen Sie bewusst wahr, wie die Luft in Ihre Lunge strömt und sich Ihr Bauch nach außen wölbt. Sie können dabei Ihre Augen schließen. Halten Sie die Luft für einige Sekunden an, atmen Sie dann langsam durch den Mund wieder aus. Stellen Sie sich vor, wie Ihre Anspannung beim Ausatmen von Ihnen abfällt. Fünfmal wiederholen.

Sich richtig auspowern
Bauchatmung oder Reisen durch den Körper sind nichts für Sie? Dann machen Sie doch zehnmal hintereinander einen Hampelmann oder laufen Sie einmal zügig ums Haus. Dann eine kleine Pause einlegen. Wiederholen Sie das Ganze, bis Sie ausgepowert sind. Legen Sie sich danach auf eine Matte oder auf die Couch, und schließen Sie die Augen. Spüren Sie, wie sich Ihre Muskeln entspannen und Ihre Gedanken ruhiger werden?

Mit Musik entspannen
Legen Sie eine CD ein, die Sie gerne hören. Suchen Sie sich ein ruhiges Plätzchen, schließen Sie die Augen, und schenken Sie der Musik Ihre Aufmerksamkeit. So können Sie prima abschalten. Wenn Sie Stress am besten durch Bewegung abbauen, können Sie natürlich auch zur Musik tanzen.

Den Druck abschütteln
Sieht vielleicht komisch aus, ist aber sehr effektiv: Stellen Sie sich für die Übung bequem hin. Beginnen Sie die rechte Hand zu schütteln, dann die linke Hand und danach beide zusammen. Jetzt ist der rechte Arm dran, dann der linke und beide Arme gleichzeitig. Das Gleiche machen Sie mit den Füßen und den Beinen. Dann schütteln Sie Po, Bauch, Brust, Schultern und Kopf. Wer mag, kann auch versuchen, alle Körperpartien gleichzeitig zu schütteln. Und die Anspannung? Verschwunden!

Durch den Körper reisen
Legen Sie sich bequem hin, schließen Sie Ihre Augen. Atmen Sie ruhig und gleichmäßig durch Ihre Nase ein und aus. Wandern Sie nun in Gedanken durch Ihren Körper. Spüren Sie, wie er auf dem Boden liegt. Wie fühlt sich der Kopf an, wie die Stirn, die Nase und der Mund? Wandern Sie weiter zu Schultern und Brust, spüren Sie Ihre Arme, Hände, den Rücken, die Hüften, die Beine und die Füße. Versuchen Sie, mit jedem Atemzug noch mehr zu entspannen. Atmen Sie weiter langsam ein und aus — bis Sie alle Körperteile in Gedanken durchgegangen sind und sich ruhiger fühlen.
Pflanzen-Power zum Runterkommen
Sie fühlen sich gehetzt und finden nicht zur Ruhe? "Manchmal hilft eine Tasse Tee oder ein entspannendes Bad, um ein wenig Abstand zum Alltag zu bekommen", sagt Apothekerin Anja Schmitt in Berlin. Sie empfiehlt Tees und Bäder mit Heilkräutern: Baldrian entspannt
und fördert den Schlaf. Hopfen wirkt beruhigend. Melisse hilft bei Nervosität. Passionsblume kann das Einschlafen erleichtern. Und Lavendel wirkt ebenfalls entspannend.
"Die Heilkräuter werden oft miteinander kombiniert und sind auch als Medikamente zum Einnehmen erhältlich", erklärt Expertin Schmitt. Für Erschöpfte eignen sich Bäder oder Aromatherapien mit Zitrus- oder Rosmarinölen. Sie regen den Kreislauf an und machen müde Geister munter.