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Erst Mitte 40 — und keine Monatsblutung mehr? Bei Frauen mit Diabetes, ob Typ 1 oder Typ 2, keine Seltenheit. Denn sie kommen, statistisch betrachtet, ein paar Jahre früher in die Wechseljahre als ihre stoffwechselgesunden Geschlechtsgenossinnen. Letztere erleben ihre letzte Blutung, die Menopause, im Schnitt mit 52 Jahren.

Warum Diabetikerinnen früher in die Wechseljahre kommen, ist nicht bekannt. "Diabetes verändert die Gefäße auch in den Eierstöcken und beschleunigt so Alterungsprozesse", vermutet Professorin Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger. "Möglicherweise erschöpft sich der Vorrat an Eizellen schneller, und die Menopause tritt früher ein", sagt die Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie sowie ärztliche Direktorin des Zentrums Innere Medizin Fünf Höfe in München. Die Stoffwechselerkrankung wirkt sich nicht nur auf den Zeitpunkt der Menopause aus. Sie macht sich auch im Verlauf der Wechseljahre bemerkbar. Aber was passiert dabei eigentlich?

Der Tanz der Hormone im Körper

Vor allem in der frühen Phase der Wechseljahre kann der Östrogenspiegel im Blut stark schwanken: Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Scheidentrockenheit sind typische Folgen — mit und ohne Diabetes. Östrogene machen die Körperzellen empfindlicher für Insulin. Sie nehmen mehr Zucker aus dem Blut auf — was die Zuckerwerte verbessert. Starke Schwankungen des Östrogenspiegels wirken sich dann auch auf die Zuckerwerte aus und können beispielsweise Unterzuckerungen verursachen.

Außerdem lässt die Produktion des Gelbkörperhormons Progesteron in den Wechseljahren nach. Das begünstigt Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Muskel- und Gelenkschmerzen. Alles Beschwerden, die den Körper belasten und ihn so vermehrt das Stresshormon Kortisol ausschütten lassen, was wiederum die Blutzuckerwerte beeinflusst. Die veränderten Hormonspiegel können sich sich auf den Stoffwechsel auswirken — ein Grund, warum viele Frauen jetzt zunehmen.

Den Blutzucker im Blick

"Wenn Frauen mit Diabetes Blutzuckerschwankungen erleben, die sie sich nicht erklären können, sollten sie daran denken, dass die Wechseljahre der Grund sein könnten", sagt Dr. Anne Sophie Meyer, Fachärztin für Frauenheilkunde in München. Das gilt ganz besonders, wenn sie etwa kürzere Zyklen, Hitzewallungen und Schweißausbrüche bemerken. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, den Hormonspiegel bestimmen zu lassen, sagt die Gynäkologin.

Sich rechtzeitig ärztliche Unterstützung zu suchen, empfiehlt auch Petra-Maria Schumm-Draeger: "Die Wechseljahre sind zwar eine normale Phase im Leben. Für Dia­betikerinnen ist sie jedoch etwas schwieriger zu bewältigen." Die Expertin empfiehlt, auf vernünftige Ernährung und mehr körperliche Aktivität zu achten. Beides wirke sich günstig aus — auf den Dia­betes und die Wechseljahresbeschwerden.

Zudem sei es wichtig, den Blutzucker noch sorgfältiger als bisher zu kontrollieren und gegebenenfalls die Therapie anzupassen, sagt Schumm-Draeger. Bei starken Schwankungen könnte für Frauen mit Typ-1-Diabetes zum Beispiel eine kontinuierliche Glukoseüberwachung über einen Sensor unter der Haut sinnvoll sein. "Nebeneffekt häufiger Kontrollen: Die Frauen lernen ihren Körper besser kennen", sagt Anne Sophie Meyer. Das hilft ihnen, die Dia­betesbehandlung an ihre Situation anzupassen.

Frauen mit Diabetes Typ 1 brauchen in der Regel eine höhere Insulin-Tagesdosis, um den Blutzucker gut zu kontrollieren. Beim Typ 2 wirken sich die Hormonschwankungen oft nicht so gravierend aus. Trotzdem kann es nötig sein, zum Beispiel die Dosis der Diabetesmedikamente zu erhöhen oder einen weiteren Wirkstoff dazuzunehmen.

Wechseljahre heißt nicht "krank"

Eine gute Nachricht: Frauen mit Dia­betes leiden nicht häufiger unter der Hormonumstellung in den Wechseljahren als Frauen ohne Dia­betes. Zwei Drittel aller Frauen spüren überhaupt Beschwerden. Und die meisten Frauen können sie durch Bewegung an frischer Luft, Sport, Yoga oder Entspannungsmethoden lindern. Oft nützt ein Verzicht auf Kaffee, Alkohol und scharfe Gewürze. Hilfreich können pflanzliche Präparate sein wie Johanniskraut gegen Stimmungsschwankungen, Baldrian gegen Schlafstörungen und Salbei gegen Schweißausbrüche und Hitzewallungen.

Sind die Beschwerden sehr stark, kann eine Hormontherapie infrage kommen. Spezielle Zäpfchen können bei Scheidentrockenheit und Libidoverlust helfen. Diese Beschwerden treten bei Frauen mit Dia­betes oft unabhängig von den Wechseljahren auf und nehmen durch die Hormonumstellung häufig noch zu.

Das Wichtigste ist, sich gut um sich selbst zu kümmern. "Sich regelmäßig zu entspannen ist für Diabetikerinnen noch entscheidender als für andere Frauen", sagt Schumm-Draeger. Eine Portion Gelassenheit sei das beste Mittel, um Stoffwechselentgleisungen vorzubeugen.

Hormontherapie bei Diabetes: Was muss ich beachten?

• Eine Hormonersatztherapie soll wegen des Krebsrisikos nur bei sehr starken Beschwerden so kurz und niedrig dosiert wie möglich erfolgen. "Bei Diabetes müssen Risiko und Nutzen noch strenger abgewogen werden", sagt Anne Sophie Meyer, "bei Begleitkrankheiten wie Bluthochdruck oder Durchblutungsstörungen oder bei Thrombosegefahr: lieber verzichten!"

• Eine Hormonersatztherapie per Pflaster gilt im Vergleich zu Tabletten als schonender. Über die Haut gelangt der Wirkstoff in den Körper.

• Östrogenhaltige Salben oder Zäpfchen helfen etwa bei trockener, rissiger Scheidenschleimhaut. Sie werden dort aufgetragen und wirken lokal.

• Erst wenn Hormonpflaster, -salben oder -zäpfchen die Beschwerden nicht lindern, sollten Tabletten zum Einsatz kommen. Im Zuge der Therapie bessern sich bei Frauen mit Typ-2-Dia­betes möglicherweise Blutzuckerschwankungen. Ob und wie sich eine Hormon­therapie auf Typ-1-Diabetes auswirkt, ist nicht bekannt.