Logo der Apotheken Umschau

Auf einem Bein hüpfen, eine Rolle rückwärts machen oder die Kletterstange hochkraxeln – Bewegungsabläufe, die jedes Kind können sollte. Die Realität sieht jedoch anders aus, wie eine Untersuchung der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) ergeben hat.

Motorische Entwicklungsstörungen haben zugenommen

Insgesamt wurden die Daten von rund 190.000 Versicherten im Alter von sechs bis 18 Jahren ausgewertet. 2022 erhielten laut Studie der KKH rund 5.800 der untersuchten Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren die Diagnose „Motorische Entwicklungsströung“, davon 4.200 Jungen und 1.600 Mädchen. Bundesweit, also auf alle deutschen Kinder und Jugendlichen bezogen, enspricht dies einem Anteil von gut drei Prozent. Seit Beginn des Untersuchungszeitraums 2012 haben motorische Entwicklungsstörungen damit um 44 Prozent zugenommen.

Unterschiede in den Alterstufen

Die Defizite betreffen sowohl die Grobmotorik, zu der Bewegungsabläufe wie Laufen oder Klettern gehören, als auch feinmotorische Fähigkeiten wie schreiben, etwas ausschneiden oder Mimik.

Je nach Altersgruppe wuchs die Zahl motorischer Entwicklungsstörungen seit 2012 unterschiedlich stark: Bei den Grundschülern im Alter von sechs bis zehn Jahren um 30 Prozent auf 5,3 Prozent aller Kinder dieser Altersgruppe, bei den 11- bis 14-Jährigen um rund 66 Prozent auf 2,5 Prozent, bei den Jugendlichen von 15 bis 18 Jahren sogar um fast 120 Prozent auf insgesamt 1,2 Prozent.

Warum bewegen Kinder und Jugendliche sich zu wenig?

Mindestens 60 Minuten am Tag sollten sich Kinder im Grundschulalter und darüber hinaus bewegen, so die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt sogar 90 Minuten täglich.

Zwei- bis dreimal Schulsport in der Woche genügen also nicht, um dem gerecht zu werden. Darüber hinaus müssten die Kinder und Jugendlichen entweder in Sportvereinen regelmäßig trainieren und den Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen.

Doch gerade mal ein Viertel schafft es, 60 Minuten täglich aktiv zu sein. Die anderen hängen wohl eher vor der Glotze oder am Smartphone: Mehr als 210 Minuten am Tag verbringen die 12- bis 19-Jährigen online. Das hat die JIM-Studie 2023 des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest ergeben. Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns hat demnach wie ein Katalysator gewirkt und auch die Unlust am Bewegen und den Medienkonsum gefördert.

Körperliche Inaktivität hat gefährliche Folgen

Wer sich zu wenig bewegt, hat schon im Kindesalter gravierende Folgen: weniger Ausdauer beim Sport, weniger Beweglichkeit, weniger Muckis. Auch die Koordination leidet. Langfristig fördert Bewegungsmangel Volkskrankheiten wie Adipositas und Diabetes, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann die Gelenke schädigen.

Die körperlichen Folgen wiederum können psychische Probleme bereiten. Wer zum Beispiel im Sportunterricht ausgelacht wird, weil er keinen Ball fangen kann, der verliert schnell an Selbstvertrauen, Versagensängste werden begünstigt. In der Folge können Betroffene sich abschotten, ihre Probleme verschlimmern sich. Nicht selten werden aus kranken Kindern dann chronisch kranke Erwachsene.

Aktiv sein ist nicht nur gesund, sondern macht auch schlau

Das muss nicht so sein: „Kinder sind von Natur aus aktiv. In ihnen steckt enormes Bewegungstalent“, erklärt Vijitha Sanjivkumar vom Kompetenzteam Medizin der KKH. „Doch das wird im heutigen digitalen Alltag oft vernachlässigt.“

Dabei würde Sport Kinder sogar klug machen. „Kinder entdecken ihre Umwelt und damit Neues über Bewegung – ob beim Laufen, Toben, Balancieren oder Radfahren“, erläutert Sanjvkumar. Haben sie Spaß dabei, sorgt das laut der Expertin für Entspannung. Obendrein stärke Bewegung das Gehirn. „Beides wiederum erhöht die Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit bei Denk- und Lernprozessen.“ Langfristig fördert ausreichend Bewegung also auch die kognitive Leistungsfähigkeit.

Frühzeitig Bewegungsdefizite erkennen – und handeln

Bei den empfohlenen Vorsorge-Untersuchungen werden motorische Fähigkeiten beim Kind untersucht. Fallen Kinderarzt oder -ärztin Störungen auf, können Ergo- oder Physiotherapie verordnet werden. Sollten Eltern bei ihrem Kind feststellen, dass es trotz eines gewissen Alters einen Stift schlecht halten kann, unsicher beim Laufen ist oder häufig stolpert, sollten sie nicht zögern und sich ärztlichen Rat holen, rät Sanjivkumar.

Eltern sind Vorbilder – auch in Sachen Bewegung

Um den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass aktiv sein Freude bereitet, rät Expertin Sanjivkumar den Eltern, ein gesundes Bewegungsverhalten vorzuleben: „Fördern Sie Ihr Kind motorisch und lassen Sie zu, dass es sich austobt.“ Wer merke, dass bestimmte körperliche Aktivitäten dem Kind Spaß machten, solle diese im Alltag einbauen – und entweder selbst mit dem Kind spielen oder das Spielen mit Gleichaltrigen ermöglichen. Wichtig seien zudem feste Tage und Zeiten, damit die Aktivzeit verbindlich sei.


Quellen:

  • Kaufmännische Krankenkasse: KKH: Sitzen macht krank – Bewegung macht klug / Eltern wichtige Vorbilder. Online: https://www.kkh.de/... (Abgerufen am 05.03.2024)
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: JIM-Studie 2023. Online: https://www.mpfs.de/... (Abgerufen am 05.03.2024)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Wieviel Bewegung brauchen Kinder?. Online: https://grundgesund.bzga.de/... (Abgerufen am 05.03.2024)