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Seit über einem Jahr debattieren Bund, Länder und diverse Interessengruppen darüber, jetzt hat das Bundesgesundheitsministerium endlich einen Gesetzentwurf für eine umfassende Krankenhausreform fertiggestellt. Dafür ist es höchste Zeit. Das deutsche Krankenhauswesen ist zu teuer, die Behandlung oft nicht gut genug und viele Kliniken stehen vor der Insolvenz.

Mit mehr als 1.800 Krankenhäusern und rund 480.000 Betten gehört Deutschland bezogen auf die Einwohnerzahl zu den Spitzenreitern in Europa. Doch die Kliniken sind ungünstig verteilt: Während in den Großstädten oft mehrere Fachkliniken ähnliche Leistungen anbieten, herrscht auf dem Land Mangel. Das derzeitige Vergütungssystem führt dazu, dass Krankenhäuser viel und kompliziert operieren müssen, um sich zu finanzieren. Das tun dann auch Häuser mit weniger Erfahrung und unzureichender Ausstattung – mit der Folge, dass die Patientinnen und Patienten dort nicht die beste Behandlung bekommen.

All das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit seiner Reform ändern. Das erklärte Ziel: Spezialisierung und Zentralisierung. Der Gesetzentwurf sieht ein neues Vergütungssystem vor, das Fehlanreize beseitigen soll. 60 Prozent der Vergütung sollen Kliniken künftig allein dafür erhalten, dass sie Personal und Ausstattung bereithalten. Grundlage der Finanzierung sollen sogenannte Leistungsgruppen sein, in die die Kliniken eingeteilt werden. Sie sollen eine bundesweit einheitliche Behandlungsqualität sicherstellen. Denn dann soll jede Klinik nur noch das machen, was sie kann und das nach festgelegten Standards.

Notwendige Spezialisierung

Bisher ist das nicht der Fall. Patientinnen und Patienten können zum Beispiel zur Krebsbehandlung in das nächstgelegene Krankenhaus gehen – auch wenn dieses nicht über das beste Know-how verfügt. Die Folge: geringere Überlebenschancen.

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Eine Spezialisierung käme also den Betroffenen zugute. Sie bedeutet aber auch: Kliniken müssen schließen oder zusammengelegt werden, denn nicht alle Häuser können alle Leistungen in guter Qualität anbieten. Dafür fehlt es an Personal und Geld. Schon heute reicht das Geld in vielen Kliniken vorne und hinten nicht. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft meldeten im vergangenen Jahr 40 Kliniken Insolvenz an, 2024 werde dieser Negativrekord vermutlich noch einmal gebrochen.

Auf dem Land wird man für kompliziertere Eingriffe künftig längere Wege in Kauf nehmen müssen. Doch dafür will in der Politik niemand verantwortlich sein. Auch mit dem jetzt bekannt gewordenen Gesetzentwurf kann Lauterbach nicht sagen, wo es künftig ein Krankenhaus geben wird und wo nicht. Denn der Gesetzentwurf definiert die für die Reform zentralen Leistungsgruppen nur sehr grob. Der Kommunikation rund um das Gesetzesvorhaben mangelt es nach wie vor an Ehrlichkeit und Klarheit.

Eine gute Versorgung auf dem Land

Das verunsichert nicht nur das Personal, sondern auch Patientinnen und Patienten. Sie wissen nicht, ob es die Klinik in ihrer Nähe in Zukunft noch geben wird und falls nicht, wohin sie sonst gehen sollen. Es ist verständlich, dass sich Menschen auf dem Land abgehängt fühlen, wenn dort Krankenhäuser schließen. Deshalb ist es wichtig, bei der Reform auf eine gute Grundversorgung zu achten und schon bevor die Reform in ein paar Jahren greift, dafür zu sorgen, dass notwendige Häuser auf dem Land nicht wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen müssen. Denn gerade diese Kliniken haben aktuell große Probleme.

Eines wird deutlich: Neben all den Diskussionen um Finanzierung und Standorte fehlt bei der Reform bislang der Blick darauf, worum es bei der medizinischen Versorgung eigentlich gehen sollte: Wie Kliniken kranke Menschen besser behandeln und möglichst ohne Komplikationen wieder gesund machen können.

Wichtiger Schritt in Richtung Transparenz

Darum fürchten zum Beispiel viele Menschen mit Diabetes. Eine Umfrage von Diabetes-Verbänden unter mehr als 700 Betroffenen zeigt, dass viele nach der Reform eine schlechtere Versorgung erwarten. Wenn sie im Notfall in das nächstgelegene Krankenhaus – sogenannte Grundversorger – gehen müssten, könnten sie nicht sicher sein, dass dort ihr Diabetes berücksichtigt werde. Oft kenne sich das Personal nicht mit modernen Diabetestherapien wie Insulinpumpen aus.

Solche Aspekte wurden bei der Reform bisher nicht berücksichtigt. Und auch Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz bezweifelt, „ob Qualität allein an der Beschäftigtenzahl im Verhältnis zu den Behandlungsfällen, deren Häufigkeit sowie der Komplikations- und Sterblichkeitsrate gemessen werden kann".

Immerhin: Ein erster Schritt ist gemacht. Im Februar haben sich Bund und Länder auf das Krankenhaustransparenzgesetz geeinigt. Damit soll im Mai ein Klinik-Atlas online gehen, der einen Überblick gibt, welche Klinik welche Behandlung in welcher Qualität anbietet. So können Patientinnen und Patienten künftig leichter die für sie passende Klinik finden. Das ist ein längst überfälliger Schritt in Richtung Transparenz. Auf andere Effekte der Reform – sollte sie am 24. April im Kabinett beschlossen werden – müssen Patientinnen und Patienten leider noch Jahre warten.

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Quellen:

  • Deutsche Krankenhausgesellschaft: DKG zu drohenden Einschränkungen in der Patientenversorgung: Krankenhäuser sind gefährdet wie nie zuvor. Online: https://www.dkgev.de/... (Abgerufen am 20.03.2024)
  • Bundesgesundheitsministerium: Fragen und Antworten zur Krankenhausreform. Online: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/... (Abgerufen am 20.03.2024)
  • Deutsche Diabetes Hilfe: Menschen mit Diabetes und Behandelnde sehen Krankenhausreform kritisch: Mehr Transparenz ist gut, beseitigt aber keine Versorgungsdefizite. Online: https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 20.03.2024)