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Was ist die Vogelgrippe?

Umgangssprachlich sprechen wir von der Vogelgrippe oder Geflügelpest. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnen die Vogelgrippe als „hochpathogene aviäre Influenza“, kurz HPAI.

Die Vogelgrippe ist mittlerweile ein Sammelbegriff für mehrere Varianten von Viren: Prof. Dr. Martin Beer ist Leiter des Instituts für Virusdiagnostik (IVD) und Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, kurz FLI. „Die Vogelgrippe ist ein umfassender Begriff. Es gibt viele dieser aviären Influenzaviren in Wildvögeln, besonders in Wasservögeln wie Enten, Gänsen und Möwen, sie sind das Reservoir. Wenn wir aber heute von der Vogelgrippe oder Geflügelpest sprechen, meinen wir in der Regel die Gruppe der hochpathogenen H5-Viren.“

Die hochansteckende Version der Vogelgrippe vom Typ H5N1 ist erstmals 1996 in China aufgetaucht und hat mittlerweile unterschiedlichste Varianten gebildet, die aber immer noch mit diesem Ursprungsvirus verwandt sind. In den letzten Monaten dominierte in Wildvögeln in Deutschland der Vogelgrippe-Subtyp H5N1.

Wie ansteckend ist die Vogelgrippe?

Die H5-Vogelgrippe ist zu einer „Pandemie im Tierreich“ geworden, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen deshalb von einer sogenannten Panzootie. Unter Wildvögeln ist das Virus hochansteckend.

Mittlerweile bezeichnen Forschende die Vogelgrippe als Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Auch die WHO zeigt sich besorgt und betont, dass das Virus genau beobachtet werden müsse. Experte Prof. Martin Beer erklärt, wieso: „Von den Wildvögel ist das H5N1-Virus zu den Hausvögeln, von den Hausvögeln zu den Wildvögeln übergesprungen. Dieser Zyklus lief über Jahre. 2005 war das Virus so gut an Wildvögel angepasst, dass es sich mit Zugvögeln in Bewegung gesetzt hat.“ Über die weiten Reise der Wildvögel konnte sich das Virus weltweit ausbreiten.

HPAI H5 konnten Forschende in Europa früher meist nur in den Wintermonaten nachweisen. Das änderte sich schlagartig, als im Sommer 2022 die bisher größte Epidemie in Europa unter Zucht- und Wildvögeln ausbrach. In Geflügelfarmen starben 50 Millionen Vögel oder mussten getötet werden, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Welche Säugetiere können sich mit Vogelgrippe anstecken?

Mittlerweile sterben nicht nur Vögel an der Vogelgrippe. HPAI H5 konnte durch die massive Verbreitung immer wieder auch auf Säugetiere, insbesondere Fleischfresser, übertragen werden.

Forscherinnen und Forscher konnten das Vogelgrippe-Virus H5N1 beispielsweise bei Tieren aus einem Massensterben von Robben in Neuengland im Nordosten der USA, in Südamerika in Seelöwen und anderen Säugetieren, in der Nähe der Antarktis bei See-Elefanten und Seebären, aber auch in Pelztierfarmen in Finnland finden.

Prof. Dr. Ursula Höfle ist Vogel-Forscherin an der Universität Castilla-la Mancha und hat sich auf Infektionen spezialisiert: „Säugetiere infizieren sich meistens, weil sie erkrankte Vögel fressen“, erklärt die Forscherin. 2022 kam es zu einem Ausbruch auf einer Nerzfarm in Galizien in Spanien. „Das ist der einzige Fall, den wir bisher kennen, in dem eine Übertragung zwischen Säugetieren nachgewiesen wurde“, ordnet Höfle ein.

Der neueste Fall ist der Ausbruch der H5N1-Vogelgrippe bei Milchkühen in den Vereinigten Staaten. Dort hat sich auch ein Mensch mit der Vogelgrippe angesteckt, allerdings hatte die betroffene Person lediglich eine Bindehautentzündung.

Gibt es eine Impfung für Tiere gegen H5N1?

Es gibt eine Impfung für Vögel gegen H5N1 und in einigen Ländern wurde bereits Geflügel geimpft. Frankreich hat zum Beispiel viele Enten geimpft, weil die Ausbruchszahlen wesentlich höher als in Deutschland waren. Die dort beliebten Mastenten und Gänse werden häufig im Freiland gehalten.

Durch die Impfung konnten die Halterinnen und Halter in Frankreich die Ausbrüche von Vogelgrippe bei Enten in den letzten Monaten fast auf null reduzieren, erklärt Virus-Forscher Beer: „Einerseits ist das eine Schutzmaßnahme für die Tiere. Gerade in Regionen wie Asien, in denen einige der H5-Viren ein höheres zoonotisches Potential aufweisen, ist das Impfen andererseits auch ein guter Schutz für den Menschen“. Letzteres sei laut Beer für die derzeit in Europa und USA vorherrschenden H5-Viren noch nicht entscheidend, könne aber zukünftig bei einer Änderung des zoonotischen Potentials relevant werden.

Wie wird die Vogelgrippe übertragen?

Für Geflügel und Wildvögel ist eine Infektion sehr leicht, zum Beispiel auch über kontaminierte Flächen möglich. Wenn Säugetiere tote Wildvögel fressen oder hochgradig kontaminiertes Wasser aufnehmen, können diese sich auch anstecken. Allerdings führt die vermutlich sehr hohe Zahl dieser Kontakte dennoch bisher nur zu einer relativ kleinen Zahl erkrankter Säugetiere.

Können sich Menschen mit der Vogelgrippe anstecken?

Grundsätzlich können sich auch Menschen mit der Vogelgrippe anstecken. Das passiert aber nur sehr selten. Für die derzeit auch in Europa und in Nordamerika verbreiteten Vogelgrippe-Viren sind aber wenige humane Infektionen berichtet worden. In einem sehr gut dokumentierten Fall in Amerika ist die Infektion mild verlaufen. Alle infizierten Menschen hatten zuvor einen engen Kontakt mit Geflügel oder zu Wildvögeln beziehungsweise einem infizierten Säugetier.

An Vogelgrippe erkranken meist nur Vögel, weil das Virus sich auf ihren Organismus spezialisiert hat. Deshalb sind sich die Forschenden Beer und Höfle einig, dass es besonders wichtig ist, die weiteren Anpassungen der HPAI-H5-Viren – besonders an Säugetiere – genau zu beobachten.

Die Gefahr liegt in den fortlaufend stattfindenden neuen Mischungen von HPAI-H5-Viren mit den „normalen“ aviären Influenzaviren in infizierten Tieren. Beer vermutet, dass die Anpassung des Virus an Wildvögel über die Jahre für Menschen bisher von Vorteil ist: „Ab 2016 sind die Zahlen der infizierten Menschen mit H5 drastisch gesunken. Wir haben gute Hinweise, dass diese Anpassung vermutlich auch zu einem niedrigeren Übertragungsrisiko auf den Menschen geführt hat.“

Trotz dieser Hinweise beobachten Forscherinnen und Forscher das Virus und die Ausbrüche sehr genau, auch wegen der fortdauernden Vermischung mit anderen Vogelgrippe-Viren.

Könnte H5N1 die nächste Pandemie auslösen?

Im Moment schätzt die WHO das Risiko durch die Vogelgrippe für Menschen als gering ein. Forscherinnen und Forscher beobachten auf der ganzen Welt mögliche genetische Veränderungen der Vogelgrippe-Viren. Für die Artenvielfalt ist die Panzootie eine mögliche Gefahr.

„Im Moment haben wir eine ökologische Katastrophe. Das Massensterben von Wildvögeln und auch von seltenen Vogelarten ist ein schwerer Schlag für die Biodiversität“, erklärt Höfle. Das kann auch Auswirkungen auf die Menschen haben, etwa auf unser Ökosystem, die Nahrungsmittelsicherheit von Geflügelfleisch und schließlich auch die Gesundheit der Menschen. Höfle betont, dass die Gesundheit von Tier und Mensch eng miteinander verbunden ist: „Im Grunde ist alles ein Netz, wir Menschen sind nur ein Punkt im Netz. Das müssen wir verstehen.“

Gerade dieses Netz müssen Forschende genau beobachten. Denn insbesondere Wildvögel tragen das Virus über weite Strecken auf ihren Flugreisen in sich. Populationen in entlegenen Winkeln der Erde sind somit dem Risiko der H5-Viruseinschleppung und der nachfolgenden Ausbreitung ausgesetzt. Forschende arbeiten gerade an Überwachungssystemen, um den Spuren des Virus global zu folgen und möglichst früh zu bemerken, wenn das Virus näher an Geflügelhaltungen und auch die Menschen rückt.

Warum hat sich die Vogelgrippe so verbreitet?

Die meisten Zoonosen sind von Menschen beeinflusst. Die Ursachen für die Entwicklung dieser Version der H5-Vogelgrippe sind vielfältig: Faktoren wie Globalisierung, Handel, Überbevölkerung, hohe Mobilität, Klimawandel und die weltweite Haltung sehr hoher Tierzahlen spielen eine große Rolle.

„Wir Menschen haben den Vögeln die Flugrouten beschnitten, da viele Feuchtgebiete der Landwirtschaft und der anhaltenden Trockenheit zum Opfer gefallen sind“, erklärt die Vogelforscherin Höfle. Die intensive Landwirtschaft hat dazu beigetragen, dass viel Geflügel auf engem Raum gehalten wird. Das kann die rasche Verbreitung von Krankheiten befördern (Eltern kennen diesen Effekt vielleicht aus der Kita ihrer Kinder). Die neue Forschungsdisziplin des „One Health“ widmet sich beispielsweise genau diesen Zusammenhängen. Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen müssen Forschende sich noch detailliert anschauen.

Was kann ich tun, um meine Community und meine Tiere zu schützen?

Hier wird es kompliziert: Gerade, weil in unserem Ökosystem alles miteinander in Verbindung steht, sind die Handlungsansätze vielfältig und viele Akteurinnen und Akteure gefordert. Klar, Vogelkot nicht anzufassen hilft, sich von kranken oder verstorbenen Tieren fernhalten auch. Wenn die Katze einen toten Vogel bringt, ist es wichtig ihn hygienisch zu entsorgen. Das eigene Haustier von Wildvögeln fernzuhalten, verringert das Risiko einer Ansteckung.

Haustiere und Menschen lassen sich langfristig mit einem gesellschaftlichen Umdenken schützen: „Die eigentlichen Probleme sind vielfältig und umfassen alle Aspekte von der Überbevölkerung, dem Klimawandel, der Globalisierung bis hin zur Haltung einer extrem großen Zahl an Nutztieren weltweit. Das können wir nur gemeinsam auf vielen Ebenen angehen“, schließt Experte Beer vom Institut für Virusdiagnostik.

In der Zwischenzeit können Hobby-Vogelbeobachterinnen und -beobachter auffälliges Vogelsterben beim örtlichen Veterinäramt melden. Wer eigene Hühner hält, kann und sollte sich umfassend über Biosicherheit informieren: „Egal wie groß oder klein die Geflügelhaltung ist, wir können alle etwas zur Hygiene und damit zum Schutz vor einem Viruseintrag beitragen“, so Beer. „Alles, was der Umwelt guttut, ist auch für die Gesundheit der Menschen wichtig“, schließt Höfle.