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Bei manchen Begriffen rund um das Thema Diabetes werden viele Fachleute wie Betroffene aufmerksam. Im negativen Sinne. Die Wörter „Zuckerkrankheit“ oder „milder Altersdiabetes“ sind zwei gute Beispiele: Sie würden Vorurteile schüren und Menschen mit Diabetes abwerten, sagen Menschen, die kritisch mit der Sprache umgehen. Festgehalten wurde das im Positionspapier „Diabetes und Sprache“. Einer, der daran mitgearbeitet hat, ist Prof. Bernhard Kulzer. Kulzer ist Psychologe an der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim sowie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft.

Fettnäpfchen vermeiden

Wenn man es nicht böse meint, spielt es doch keine Rolle, wie man etwas sagt. Oder? Doch, auf jeden Fall, warnt Kulzer: „Sprache ist ein Spiegel der Gesellschaft. Sie drückt aus, wie das Verhältnis der Menschen zueinander ist.“

Kulzer kennt einige solcher Fettnäpfchen, etwa: „Diabetikerin“ oder „Diabetiker“. Was ist das Problem? „Bei dieser Bezeichnung wird Diabetes zum wichtigsten Merkmal der Person“, erklärt Kulzer. Bei anderen Krankheiten sei das nicht so verbreitet. „Niemand redet von Krebslern. Oder Gichtlern. Warum also Diabetiker?“ Besser sei: Mensch oder Person mit Diabetes. Ausnahme: Jemand möchte sich selbst als Diabetikerin oder Diabetiker bezeichnen.

Vorurteile gegenüber Menschen mit Diabetes-Typ-2

Gegen Menschen mit Typ 2 bestünden besonders viele Vorurteile, sagt Psychologe Kulzer: „Die Krankheit gilt vielen als selbst verschuldet, als Quittung für einen ungesunden Lebensstil.“ Dabei sind die Gründe, warum die Krankheit ausbricht, weitaus vielschichtiger. „Betroffene erfahren trotzdem wenig Mitgefühl und entwickeln selbst oft Scham- und Schuldgefühle.“

Auch der Begriff „Zuckerkrankheit“ sei daher problematisch: Der Begriff verharmlose die Krankheit und lege nahe, dass man einfach zu viel Zucker gegessen habe. Am besten bleibe man einfach beim Begriff „Diabetes“, empfiehlt Kulzer. „Zuckerkrankheit“ ist schließlich ohnehin nicht die korrekte Übersetzung von Diabetes mellitus. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und meint eher „honigsüßer Durchfluss“. Um einen Diabetes genauer zu beschreiben, spricht man besser von Typ 1 oder Typ 2.

Vorsicht bei „milder Altersdiabetes“

Bei Typ 1 ist oft die Rede von „schwerem“ oder „schlimmem“ Diabetes. Gerade betroffene Kinder erleben häufig Mitleid, vor allem, weil sie Insulin spritzen müssen. Dabei wollen Menschen mit Typ 1 in aller Regel weder als beklagenswert gelten noch einen Krankheitsbonus haben – egal, wie alt sie sind.

Ein „milder Altersdiabetes“ ist Kulzer ebenfalls ein Dorn im Auge. Die Bezeichnung ist früher häufig gleichbedeutend mit Typ-2-Diabetes verwendet worden. Inzwischen weiß man aber, dass Typ 2 in jedem Lebensalter auftreten kann. „Mild“ sei diese Form in aller Regel auch nicht. „Menschen mit Typ 2 haben häufiger Folgeerkrankungen und ihre Lebensqualität ist ähnlich eingeschränkt wie bei Typ 1“, betont Kulzer.

Zwei Begriffe, die zwar eher von Ärztinnen und Ärzten benutzt werden, aber nicht weniger unpassend sind: „Therapieversager“ und „Therapietreue“. Dass der Begriff „Versager“ abwertend und beleidigend ist, erklärt sich von selbst. Subtiler liegt das Problem bei der „Therapietreue“. Damit ist gemeint, wie gut sich jemand an ärztliche Anweisungen hält. „Der Begriff bedient das alte Bild vom dominanten Arzt als moralischer Instanz“, erklärt Kulzer. Der Gott in Weiß habe heute aber ausgedient. Stattdessen sollen Menschen mit Diabetes gleichberechtigt mit dem Behandlungsteam besprechen, wie die Therapie aussehen kann. Das sollte sich auch in der Sprache widerspiegeln.

Worte können verletzten. Bei Menschen mit Diabetes ist ein sprachsensibler Umgang daher besonders wichtig.

Der Diabetes-Knigge

So schaffen Sie es, Menschen mit der chronischen Erkrankung nicht unbedacht mit Worten zu verletzen. zum Artikel